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Deutscher kritisiert Beamte auf Facebook: 3 Monate Gefängnis ohne Bewährung

Deutscher kritisiert Beamte auf Facebook: 3 Monate Gefängnis ohne Bewährung
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Im mittelfränkischen Ansbach wurde der 49-jährige Udo Frank Hochreuter zu drei Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Sein Vergehen: Hochreuter soll sich auf Facebook abfällig über das örtliche Drogendezernat geäußert haben. Besondere Brisanz erhält der Fall dadurch, dass der Hanfaktivist vom “Local National Investigator” der US-Kaserne in Ansbach angeschwärzt wurde. Dieser durchsucht Social Media-Foren nach US-kritischen Postings. Gegen das Urteil geht der politisch Aktive in Berufung.

Dank für Denunziation von politischen Aktivisten? Staatssekretär des Verteidigungsministers Christian Schmidt gratuliert US-Soldaten in der US-Kaserne Katterbach in Bayern.

Was über den privaten Facebook-Account von Udo Frank Hochreuter verbreitet wurde, betrifft die US-Armee eigentlich nicht. Obwohl sich im fränkischen Ansbach heftiger Widerstand gegen die dortige US-Kaserne regt und Anwohner sich immer wieder über Fluglärm beschweren, hat Hochreuter mit all dem allenfalls am Rande zu tun. Zwar ist der 49-jährige Hanfaktivist und Tierpfleger Basismitglied der Partei Die Linke, gehört aber nicht der Bürgerinitiative gegen die US-Basis an.

Ins Fadenkreuz des in Deutschland stationierten US-Militärs geriet Hochreuter dennoch. Die Kaserne unterhält eigens zur Auskundschaftung der Sozialen Medien einen sogenannten “Local National Investigator”, angesiedelt im “Department of the Army, Headquarters, 2. Military Intelligence Battalion”. Dessen Aufgabe: Verdächtige Meinungsäußerungen auf Facebook und Co ausfindig machen und, wenn nötig, weitere Schritte veranlassen. „Dienstliche Internetrecherche“, heißt dies im Kasernen-Sprech. Ziel ist es, vor allem die Gegner des Militärstützpunktes im Auge zu behalten.

Bei einer dieser digitalen Schnüffeleien fiel einem Angehörigen der US-Streitkräfte dann das Facebook-Profil von Udo Frank Hochreuter auf. Auf diesem wurde sich über das Ansbacher Drogendezernat ausgelassen, die Beamten wurden als „Staatsbüttel“ bezeichnet. Grund für den Ärger war das offenbar harsche Vorgehen der Polizisten gegen einen Hanfhändler in der fränkischen Stadt. Der “Local National Investigator” sicherte das Posting als Screenshot und leitete es an die Kriminalpolizei weiter, die juristischen Mühlen waren in Gang gesetzt. Mit heftigem Ergebnis: Drei Monate Haft ohne Bewährung, so das Urteil gegen Hochreuter, das im April in erster Instanz gesprochen wurde. Die Screenshots aus der US-Kaserne dienten als Beweismittel im Verfahren.

Der Fall wirft mehr als eine Frage auf: Zum einen kann der Tierpfleger auch einen fremden Computer benutzt und danach vergessen haben sich auszuloggen. Eine Nachlässigkeit, die in Deutschland künftig mit Gefängnis bestraft werden soll?

Nicht weniger drängt sich allerdings die Frage auf, was es die US-Armee in Deutschland eigentlich angeht, wenn sich jemand über die örtlichen Behörden ärgert. Oder sollen kritische Bürger mundtot gemacht werden, indem ihnen angehängt wird, was sich gerade im täglichen Social Media-Rauschen findet? Ohnehin sind solche Postings meist eher mit Kneipengesprächen zu vergleichen. Wenn für das, was an deutschen Tresen gesagt wird, künftig Haftstrafen drohen, kommen deutsche Gefängnisse bald an ihre Kapazitätsgrenzen.

Hochreuter will das Urteil nicht auf sich sitzen lassen, bestreitet zudem, das fragliche Posting selbst geschrieben zu haben. Für den 9. August ist die Berufungsverhandlung in Ansbach angesetzt. Ein Verfahren, das auch viel über den Einfluss der US-Armee in Deutschland aussagt. Harald Weinberg, Bundestagsabgeordneter der Linken, betonte, er würde gerne wissen, “ob hier systematische US-Schnüffelei gegen Parteimitglieder ans Tageslicht kommen“.

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