Deutschland

Einmal Hartz IV – immer Hartz IV: Arbeitsvermittlung als Illusion

Einmal Hartz IV – immer Hartz IV: Arbeitsvermittlung als Illusion

“Ein vorrangiges Ziel der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II ist es, die Hilfsbedürftigkeit der Leistungsbezieher durch die Aufnahme einer bedarfsdeckenden Beschäftigung zu beenden“.

Wenn man im IAB in Nürnberg arbeitet, dann muss man wohl eine derartige politisch korrekt verquaste Sprache pflegen. Auf Deutsch heißt das: Hartz IV wird mit der Motivation gewährt, Hartz-IV-Bezieher auf einen Arbeitsplatz zu transferieren, von dem aus sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, so dass sie nicht mehr darauf angewiesen sind, sich von Steuerzahlern aushalten zu lassen.

iab-hartz-iv-berichtDas ist die Vorstellung. Die Wirklichkeit sieht anders aus, ganz anders, wie Jonas Beste und Mark Trappmann, von denen der verquaste Satz stammt, der oben zitiert wurde, in einem Beitrag gezeigt haben.

4.903 Bezieher von Hartz IV haben sie von 2012 bis 2014 verfolgt und die Gründe dafür untersucht, dass manche von Ihnen im Beobachtungszeitraum einen Arbeitsplatz aufgenommen haben, die Mehrzahl von Ihnen aber nicht.

Die Suche nach den Ursachen ist in eine Liste von „Hemmnissen“ gemündet, wobei „Hemmnis“ wohl der Euphemismus ist, mit dem im IAB, an dem die beiden Autoren beschäftigt sind, die Tatsache umschrieben wird, dass die meisten Hartz-IV-Bezieher keine Arbeit aufnehmen.

Gerade einmal 9 Prozent der 4.903 Hartz-IV-Bezieher, die Beste und Trappmann über drei Jahre verfolgt haben, nehmen in diesem Zeitraum eine Arbeit auf. Diese 9 Prozent sucht man im Beitrag von Beste und Trappmann übrigens vergeblich. Wir haben sie auf Basis der ausgewiesenen Daten berechnet. Entweder reicht der Mut der Autoren nicht, um diese bedrückende Wahrheit, die aus ihren Daten hervorgeht, zu berichten oder der politische Druck, der dieses fast vollständige Scheitern der Absicht, Hartz-IV-Bezieher wieder in Arbeit zu bringen, mit dem Mantel des Schweigens zu bedecken sucht, ist einfach zu groß, im IAB, nicht bei ScienceFiles.

Wie dem auch sei: rund 9% der Hartz-IV-Bezieher schaffen es, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Die restlichen 91% haben „Hemmnisse“, die der Arbeitsaufnahme entgegen stehen.

Das größte Hemmnis, das 71% der Hartz-IV-Bezieher aufweisen, ist die Dauer, mit der sie bereits Hartz-IV beziehen. Wer 21 Monate durchgehend Hartz-IV bezieht, wird auch die nächsten 21 Monaten Hartz-IV beziehen. Das belegen die Analysen von Beste und Trappmann eindrücklich. Neben der Dauer des Hartz-IV-Bezuges wirken sich „gesundheitliche Einschränkungen“ (45% der Hartz-IV-Bezieher), ein fehlender Berufsabschluss (40% der Hartz-IV-Bezieher fehlt er), Mutterschaft (30% der Hartz-IV-Bezieherinnen verstecken sich dahinter), ein hohes Alter (27% der Hartz-IV-Bezieher sind zwischen 50 und 65 Jahren alt) und „Sprachdefizite“ (bei 6% der Hartz-IV-Bezieher vorhanden) negativ auf die Chancen, eine Arbeit aufzunehmen aus.

Kumulieren sich die so genannten „Hemmnisse“, dann zeigt sich das ganze Elend, das mit einer Hartz-IV-Existenz einhergeht, denn, wie die folgende Abbildung zeigt, sinkt die ohnehin geringe Wahrscheinlichkeit, eine Arbeit aufzunehmen, mit jedem Hemmnis, das hinzukommt, dramatisch und ist am Ende so gering, dass man von nicht existierenden Vermittlungschancen, also lebenslanger Arbeitslosigkeit ausgehen muss.

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Indes, manche der Daten zeigen, dass das mit der lebenslangen Arbeitslosigkeit für manche nicht so unerwünscht ist, wie es den Anschein haben mag. So wirkt sich „Mutterschaft“ nur dann negativ auf die Chance, eine Arbeit aufzunehmen, aus, wenn die Mütter in einer Ehe oder Partnerschaft leben. Sind sie alleinerziehend, dann steht ihrer Erwerbstätigkeit offensichtlich nichts im Wege, so dass man annehmen muss, Mütter in Hartz-IV-Bezug, die in einer Ehe oder Partnerschaft leben, nutzen ihre Kinder als Vorwand, um der Arbeit aus dem Weg zu gehen, so dass die Kinder nicht „Hemmnis“ sind, wie es die politisch-korrekte Sprachregelung des IAB vorsieht, sondern Vorwand, der noch dazu mit einer Reihe von Annehmlichkeiten einhergeht, denn für Kinder gibt es zusätzlich Geld im Hartz-IV-Regime.

Betrachtet man die Hierarchie der sogenannten Hemmnisse, die einen Hartz-IV-Bezieher subjektiv oder objektiv daran hindern, eine Arbeit aufzunehmen, dann stehen gesundheitliche Einschränkungen an erster Stelle. Sie reduzieren die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeit aufzunehmen im Zeitverlauf um rund 18%, d.h. wenn die gesundheitlichen Einschränkungen anhalten, dann hält auch der Hartz-IV-Bezug an. Gleiches gilt für geringe Deutschkenntnisse. Anhaltende Sprachschwierigkeiten reduzieren die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeit aufzunehmen, um 15%. Mütter in Partnerschaft schaffen es ebenfalls auf 15%. Dagegen reduziert die fehlende Berufsausbildung die Chance auf einen Arbeitsplatz nur um 6%. Bei diesen Zahlenwerten muss man jedoch in Rechnung stellen, dass die Wahrscheinlichkeit, als Hartz-IV-Bezieher einen Arbeitsplatz zu finden, mit 9% sehr gering ist. Entsprechend reduziert eine gesundheitliche Einschränkung diese Wahrscheinlichkeit auf 7,38%, geringe Deutschkenntnisse reduzieren die Wahrscheinlichkeit ebenso wie die Mutterschaft mit Partner auf 7,65%.

Kurz: Die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeit aufzunehmen ist für die entsprechenden Hartz-IV-Bezieher so gut wie nicht vorhanden. Entsprechend könnte man dieser Tatsache ins Auge sehen und die teuren, aber unnützen Versuche der Qualifikation und Vermittlung von Hartz-IV-Beziehern einstellen. Das würde jedoch eine Vielzahl von Menschen, die ihr Auskommen auf dem Rücken von Hartz-IV-Beziehern erwirtschaften, ihrerseits zu Hartz-IV-Beziehern machen, so dass sich die Frage stellt, was teurer wäre: Mehr Hartz-IV-Bezieher oder weniger Hartz-IV-Bezieher und die Aufrechterhaltung der entsprechenden Hartz-IV-Industrie? Keine einfach zu beantwortende Frage.

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