Netzwelt

Acht Dinge, die du wissen musst, bevor du deinen Computer einschaltest

Acht Dinge, die du wissen musst, bevor du deinen Computer einschaltest

Hacker und dunkle Cyberaktivitäten haben als Themen erneut eine große Konjunktur. Aktuell sollen sie westlichen Sicherheitspolitikern helfen, neue Etats gegen angebliche Bedrohungen aus dem Osten zu rechtfertigen. Was dabei gerne vergessen wird: Unsicherheit der persönlichen Daten war im weltweiten Netz schon immer der Standard.

von Malte Daniljuk

Alle Menschen, die einigermaßen erwachsen sind, tragen den gesamten Tag einen kleinen Computer in der Tasche. Ein solches Smartphone hat ein Vielfaches der Rechenpower, mit der Computer die Apollo-Missionen zum Mond gebracht haben.

Nicht zufällig setzte der Sprung in die Digitalisierung nach dem letzten Epochenbruch vor 25 Jahren ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Computertechnik schon gute 40 Jahre hinter sich. Ihrer massenhaften Verbreitung gingen also grundlegende Erkenntnisse voraus, von denen viele bis heute ebenso instruktiv wie unbekannt sind.

Die Nutzung technischer Artefakte verbreitet sich schneller als das grundlegende Wissen über sie. Insofern macht es Sinn, einige Regeln in Erinnerung zu rufen, bevor man seine Intimsphäre auf Facebook ausbreitet.

Relativ bekannt ist noch der erste und wichtigste Grundsatz, der das explosionsartige Wachstum digitaler Kapazitäten beschreibt. Gordon Moore entdeckte bereits 1965, dass sich die Komplexität und mit ihr die Rechen-, Speicher- und Übertragungskapazität von digitaler Technik alle ein bis zwei Jahre verdoppelt. Dieses historisch einzigartige exponentielle Wachstum bildet die Grundlage für die digitale Revolution.

Acht Dinge, die du wissen musst, bevor du deinen Computer einschaltest
Gordon Moore (links) und Robert Noyce gründeten den Chip-Monopolisten Intel im Jahr 1968. Damals wusste Moore bereits seit einigen Jahren, dass sich die Speicher- und Rechenkapazität alle zwei Jahre verdoppelt.

Es gibt auch einem zweiten Aspekt eine völlig neue Dimension: Informationstechnische Systeme und die darin gespeicherten Daten sind in der Regel stabiler als die politischen und kulturellen Kontexte, in denen sie entstehen. Die Folge ist, dass eine mich betreffende Information, die heute erfasst wird, zukünftig in einem völlig anderen politischen Kontext eine Bedeutung erlangen kann, die ich heute unmöglich vorhersehen kann.

Ein dritter Aspekt betrifft hingegen in dieser Tragweite ausschließlich digitale Technologien. Anders als andere Speichermedien ermöglichen sie eine detaillierte Selbstprotokollierung. Das heißt, das Gerät kann erfassen, was Menschen wann mit ihm tun und diese Informationen – Metawissen über sich selbst – anderen verfügbar machen. Ein digitales Endgerät kann – anders als analoge Medien – also nicht nur Informationen herausgeben, sondern es erfasst auch Informationen, etwa darüber, welche Informationen mit ihm angefragt wurden.

Daraus ergibt sich, viertens, dass mit der Digitalisierung völlig neue Datentypen anfallen. Neben den konventionellen Text-, Audio- und Bilddaten handelte es sich dabei zunächst um Meta-Daten, also Informationen über Daten. Die neuen Möglichkeiten zur digitalen Analyse schufen aber auch Lokalisierungsdaten, DNA-Informationen oder gegenwärtig personalisierte Gesundheits-informationen, das heißt, die informationelle Durchdringung des Alltags, die Qualität des Wissens über uns selbst, nimmt grundsätzlich schnell zu.

Der mit dem Netz verbundene Computer integriert, fünftens, jeden Mediengebrauch, er ist das Supermedium. Während mit den traditionellen Medien alle Kommunikationskanäle einzeln bedient wurden (Foto, Radio, Zeitung, Fernsehen), findet sich mit dem netzgebundenen Computer alles in einem Gerät, das zudem die Informationen von einem physischen Datenträger entkoppelt. Während früher eine Vielzahl von Branchen Telefonate vermittelten, Briefe zustellten, Spiele verkauften oder Information und Unterhaltung auslieferten, legt der Computer tendenziell all das, und damit die gesamte Beförderungsmacht, in die Hände eines Anbieters.

Ein sechster Aspekt steht im Zusammenhang mit dem ersten, dem Mooreschen Gesetz: Während analoge Technik aufgrund ihrer physischen Funktionalität an eine bestimmte Größe der Geräte gebunden war, wird digitale Technik immer kleiner. Diese Tendenz zur Miniaturisierung stößt inzwischen nur noch an das Problem der Mensch-Maschine-Schnittstellen. Ihr weiteres Fortschreiten hängt bisher an einer etablierten Technik, um Informationen einzugeben – der Tastatur, und einer Ausgabe-Schnittstelle – dem Bildschirm.

Dies führt, siebtens, dazu, dass zwar die Komplexität bei der Bedienung immer weiter abnimmt. Die Komplexität der Technik nimmt zeitgleich allerdings zu. Entsprechend wird die Zugangshürde zu Technik immer höher und die Möglichkeiten, sie selbst zu kontrollieren, nehmen ab, obwohl wir sie immer intensiver verwenden. Im Ergebnis verfügt eine zunehmend kleinere Gruppe von technischen Spezialisten über zunehmend mehr Beförderungsmacht, während einer immer größere Mehrheit einen gravierenden Autonomieverlust erlebt.

Ein achtes, und auch übergeordnetes Problem, hängt mit öffentlich zugänglichen Informationen, etwa im Internet, zusammen. Schon seit 1970 ist bekannt, dass, wenn der Informationsfluss in der Gesellschaft wächst, die Wissenskluft zwischen Menschen mit höherem und niedrigerem sozioökonomischen Status zunimmt. Das Gleichheitsversprechen des Internet war also vom ersten Tag an eine Lüge.

Von öffentlich zugänglichen Informationen profitieren Menschen und Organisationen mit höherem Know-How, bzw. größerer Beförderungsmacht, unvergleichlich stärker. Gleiche Bedingungen bei ungleichen Voraussetzungen verstärken tendenziell die Ungleichheit, also wächst der Abstand trotz formal gleichberechtigter Zugangsbedingungen.

https://www.youtube.com/watch?v=GkqXvIRhXvo

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