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Kriegslüstern, todbringend, illegal, kriminell – Der verbrecherische Imperialismus der NATO

Kriegslüstern, todbringend, illegal, kriminell – Der verbrecherische Imperialismus der NATO
Deutsche und britische NATO-Einheiten im Juni 2016 in Polen

Heute gebärdet sich die NATO selbst als passives Friedensbündnis, welches „Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ promotet. Die NATO-Osterweiterung der letzten 20 Jahre, die angestrebte Aufnahme der Ukraine, Georgiens und weiterer Balkanländer, sowie die enge Partnerschaft mit blutigen Regimes im Mittleren Osten machen deutlich, dass es der NATO nicht um die Verteidigung eines diffusen freiheitlichen Wertekanons geht, sondern offenbaren die aggressiv-imperialistische Natur dieses Angriffsbündnisses.

von Jakob Reimann

Die NATO stand als militärischer Arm „des Westens“ im Kalten Krieg jahrzehntelang dem sowjetischen Bündnis des Warschauer Pakts gegenüber, wobei es nie zu einem direkten Aufeinandertreffen beider Machtblöcke kam. Mit dem Fall der Berliner Mauer überfiel die NATO eine große Legitimationskrise – das Feindbild Kommunismus war abhandengekommen. Obwohl seine Beweggründe den meinen diametral gegenüberstehen, würde ich dennoch die Ansicht des neuen US-Präsidenten Trump, die er im Interview mit The Times of London äußerte, sofort unterschreiben: die NATO ist obsolet.

Heute gebärdet sich die NATO selbst als passives Friedensbündnis, welches „Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ promotet. Ihre Expansionspolitik der letzten 25 Jahre trägt nach ihrem Selbstverständnis daher zur Verbreitung dieser edlen Werte bei. Ob dem so ist, davon handelt der erste Beitrag eines dreiteiligen NATO-Specials hier auf JusticeNow!

Das historische Überbleibsel – ein Überblick

Die akkumulierten Militärausgaben der heute 28 NATO-Mitglieder machen über 1 Billion Dollar aus, was rund 60 Prozent der globalen Militärausgaben entspricht und die historisch beispiellose globale Militärübermacht der NATO illustriert. Den Löwenanteil dieser Ausgaben stellen mit rund 70 Prozent die USA, was die numerische Manifestation der unangefochtenen ideologischen, strategischen und militärischen Vorherrschaft der USA im Bündnis repräsentiert.

Gegründet wurde die North Atlantic Treaty Organization (NATO) im Jahre 1949 von zwölf Staaten: Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA. 1952 wurden Griechenland und die Türkei aufgenommen, sowie 1982 Spanien. Von besonderer historischer Bedeutung ist die Aufnahme Westdeutschlands 1955, da das Bündnis somit erstmals in Zentraleuropa unmittelbar an die sowjetische Einflusssphäre (DDR) heranragte. Als Reaktion auf dieses Ereignis gründete sich das sowjetische Militärbündnis des Warschauer Pakts. Es ist bedeutend, sich diese zeitliche Abfolge bewusst zu halten: der Warschauer Pakt gründete sich sechs Jahre nach der NATO.

Der Westen ging 1990 nach viereinhalb Jahrzehnten Kalter Krieg – dem Gleichgewicht des Schreckens – als Sieger aus dem Kampf der Systeme hervor. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Pakts wurde militärstrategisch auch die NATO überflüssig und hätte sich zusammen mit dem sowjetischen Militärbündnis auflösen sollen. Es gab die historisch einmalige Gelegenheit der globalen Abrüstung und der umfassenden Demilitarisierung der Welt – der Ausschüttung der vielversprochenen Friedensdividende. Doch wie es bei aggressiven Imperien oft der Fall ist, konnte auch der Westen einfach nicht aufhören zu siegen, und die NATO wählte den entgegengesetzten Weg – den der imperialistischen Expansion, der aggressiven Osterweiterung bis an die Grenzen des alten neuen Feindes Russland.

„Nicht einen Inch nach Osten“ – die NATO-Osterweiterung als eklatanter Wortbruch des Westens

In einem Gespräch mit Kanzler Kohl machte der damalige US-Präsident George H. W. Bush 1990 seine anhaltende Feindschaft gegenüber Russland deutlich und erstickte jede Hoffnung auf eine mögliche Aussöhnung und Kompromissbereitschaft im Keime: „Zur Hölle damit! Wir haben gewonnen, sie nicht. Wir können nicht zulassen, dass die Sowjets die Niederlage doch noch in einen Sieg umwandeln.“ Die NATO als militärischer Arm des Westens sollte hierbei das Mittel der Wahl sein, um vor Ort Tatsachen zu schaffen und den Akt des Siegens zu perpetuieren.

Und so folgte der Wende 1989/90 die aggressiv-expansionistische Ausdehnung der NATO nach Osten. In mehreren Etappen wurden überwiegend ehemalige Ostblockstaaten dem Bündnis einverleibt: Polen, Tschechien, Ungarn (1. Welle 1999), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2. Welle 2004), Albanien und Kroatien (3. Welle 2009).

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Abbildung der NATO-Osterweiterung nach 1990 und potentielle Beitrittskandidaten. Inkorporation der Krim ins Staatsgebiet der Russischen Föderation. / Jakob Reimann / JusticeNow! / CC BY-ND 4.0

Obwohl die NATO-Osterweiterung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung 1990 zu keinem Zeitpunkt per Vertrag untersagt wurde, stellt sie dennoch einen eklatanten Wortbruch dar. So versicherte etwa der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher seinem russischen Amtskollegen Eduard Schewardnadse: „Die Nato werde sich nicht nach Osten ausdehnen.“ Kanzler Kohl beteuerte gegenüber seinem russischen Counterpart Michail Gorbatschow gar, die NATO werde sich nicht einmal auf das Territorium der ehemaligen DDR ausdehnen. Auch der damalige US-Außenminister James Baker versprach – laut eigener Protokolle – in einem vertraulichen Gespräch mit Gorbatschow, die „Jurisdiktion“ der NATO würde „sich nicht ostwärts verschieben!“ und tätigte sein berühmtberüchtigtes Statement, die NATO werde sich „nicht einen Inch nach Osten ausdehnen.“ Die Behauptung der Bundesregierung, es gäbe „keine Anhaltspunkte“ über mündliche Vereinbarungen zwischen Ost und West über einen Verzicht der NATO-Expansion, sind demnach ohne jeden Zweifel gelogen.

Die Bedeutung dieses Wortbruchs durch den Westen und die rücksichtslose Übergehung russischer Sicherheitsinteressen sind fundamental wichtig für das Verständnis der aktuellen Ost-West-Spannungen. So machte der russische Präsident Wladimir Putin die NATO-Osterweiterung und den damit einhergehenden Vertrauensverlust hauptverantwortlich für die seit Anfang 2014 eskalierende Krise zwischen den USA, Europa und Russland.

Kein Ende in Sicht

Doch nach den Wünschen vdieon NATO-Strategen ist die jetzige Ausdehnung des Bündnisses bei Weitem nicht das Ende. So sind auch auf dem Balkan weitere Beitrittskandidaten wie Serbien und Montenegro im Gespräch. Eine besondere Brisanz stellen jedoch die NATO-Beitrittsangebote an Georgien und insbesondere die Ukraine dar, die als geostrategisch äußerst wichtige Grenzländer im Südosten Russlands ein überaus sensibles Thema für Moskau sind. Die tatsächliche Aufnahme beider Länder wäre eine kaum hinzunehmende Provokation und Bedrohung der nationalen Sicherheit Russlands.

Die NATO-Georgien-Beziehungen reichen bis ins Jahr 1994 zurück. 2008 wurde dem Land dann schließlich in der Abschlusserklärung des NATO-Bukarest-Gipfels die Mitgliedschaft versprochen. Bereits 2011 drohte der russische Außenminister Lawrow offen mit einer Neuauflage des blutigen Fünftagekriegs zwischen Russland und Georgien von 2008, sollte das kleine Kaukasusland tatsächlich der NATO beitreten. Eine Aufnahme des in Vorderasien gelegenen Lands wäre nicht nur geostrategisches Säbelrasseln gegen Russland, sondern auch ein völkerrechtswidriger Akt, da Artikel 10 des Nordatlantikvertrags Aufnahmeangebote explizit nur für europäische Staaten vorsieht. Nichtsdestotrotz wurde die Partnerschaft weiter intensiviert, was sich etwa in groß angelegten, demonstrativ provokanten NATO-Übungen in Georgien 2015 und 2016 äußerte.

Auch der Ukraine wurde 2008 die NATO-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Das höchst umstrittene Assoziierungsabkommen, das Ukraine langfristig an die EU anbinden sollte, enthält in seinen 1.200 Seiten auch explizite Vorgaben zur militärischen Zusammenarbeit. Obwohl die NATO nicht wörtlich erwähnt wird, wird von vielen Analysten die Ansicht vertreten, es handle sich bei dem Abkommen um einen Vorläufer zum NATO-Beitritt der Ukraine über die Hintertür EU. Der zweifache US-Präsidentschaftskandidat Dennis Kucinich bezeichnet das Abkommen gar als „Trojanisches Pferd der NATO.“

Aufgrund ebensolcher Bedenken setzte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch Ende 2013 die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens aus. Dieses Hinauszögern war der Auslöser der maßgeblich vom Westen zu verantwortenden, extrem blutigen Ukraine-Krise, in deren Folge die Janukowytsch-Regierung weggeputscht und die von Faschisten durchsetzte, vom Westen unterstützte, illegale Kiewer Marionettenregierung eingesetzt wurde, und aus der sowohl die Krim-Krise, als auch der blutige Bürgerkrieg in der Ostukraine resultierten, bei dem nach konservativen UN-Schätzungen rund 10.000 Menschen starben (Stand September 2016).

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Protest by the Cabinet of Ministers on Wednesday / Ivan Bandura / wikimedia.org / CC BY 2.0

Als vermeintliche Antwort auf die russische Aggression kam es in den letzten anderthalb Jahren zur größten Verlegung von NATO-Truppen und schwerstem Kriegsgerät nach Osteuropa seit dem Ende des Kalten Kriegs, was zu der absurden Situation führte, dass 75 Jahre nach dem Überfall der Nazis auf die Sowjetunion erneut deutsche Truppen einsatzbereit an der Grenze zu Russland stehen. Die aggressive NATO-Expansion ist demnach keineswegs das proklamierte stabilisierende, friedensstiftende Element, sondern führt zu einer höchst gefährlichen Militarisierung Europas und stellt außerdem den Hauptgrund für ein seit Jahrzehnten ungekannt hohes Risiko eines offenen Krieges mit einem wieder auf die Beine gekommenen Russland dar.

Freiheit, Demokratie und Menschenrechte? – die Identitätskrise der NATO

Die aggressiv vorangetriebene NATO-Osterweiterung ist integralre Bestandteil und steht gleichzeitig sinnbildlich für die übergeordnete Sinn- und Identitätskrise der NATO. Insbesondere die bereits erfolgte und weiter forcierte Ausdehnung auf den Balkan illustriert diesen Widerspruch, da sie den in der Präambel der NATO-Charta festgeschriebenen Grundsatz „der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts“ ad absurdum führt. Der Osteuropa-Experte Tomasz Konicz meint, bei den staatlichen Strukturen „nahezu aller Balkanstaaten“ handle es sich um „instabile Staatsgebilde – oder besser: Staatsattrappen – um regelrechte Mafiarepubliken, wo die stärksten mafiösen Klans und Seilschaften praktischerweise die Regierungsgewalt übernommen haben.“

Gemeinsame demokratische Werte zu bemühen, ist demnach mehr als zynisch. Der Fokus in der Ursachenanalyse sollte vielmehr auf der geostrategischen Bedeutung des Balkans liegen: durch das sukzessive Vordringen auf die Balkanhalbinsel manifestiert die NATO weiter ihre militärische Macht über den Mittelmeerraum, und baut außerdem ihre militärische Präsenz auf der sogenannten Balkanroute aus, was angesichts der massiv zunehmenden Militarisierung der Flüchtlingsbekämpfung ein immer zentralerer Punkt wird.

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Closing ceremony / U.S. Army Europe / flickr.com / public domain

Bei keinem anderen Land springt die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit jedoch derart ins Auge wie bei dem langjährigen NATO-Mitglied Türkei: Das Land am Bosporus führt Krieg gegen Teile seiner eigenen kurdischen Bevölkerung und seit dem Putschversuch im vergangenen Sommer auch gegen jegliche Form der Opposition, es ist illegal in Syrien einmarschiert und begeht dort Kriegsverbrechen an den Kurden, es war (oder ist womöglich weiterhin) zentraler Handelspartner in den Ölgeschäften des IS, es ist einer der größten Bekämpfer der freien Presse auf diesem Planeten, Präsident Erdoğan setzt alles daran, in einer Allianz aus Islamisten und Ultranationalisten ein autokratisches Präsidialsystem einzuführen und Schritt für Schritt die wacklige türkische Demokratie abzuschaffen. Kein NATO-Mitglied verletzt auf derart vielen Ebenen permanent die vermeintlichen Grundwerte der NATO-Charta wie die Türkei. Und auch hier ist der Grund für die Mitgliedschaft damals wie heute einzig ihre geostrategisch extrem wertvolle Lage.

Ein Blick in die Geschichte ist vonnöten. Seit jeher ist die NATO-Mitgliedschaft der Türkei ausschließlich über die Abgrenzung zu den Feinden des Westens definiert und keineswegs über die Anerkennung gemeinsamer Werte. Getrieben von der antikommunistischen Agenda des Westens wurde die Türkei 1952 zu Beginn des Kalten Kriegs in die NATO aufgenommen, da sie als Bollwerk gegen die Sowjetunion galt und verhindert werden sollte, dass sie in die kommunistische Einflusssphäre gelangt. Mit dem Untergang der Sowjetunion hat sich die strategische Bedeutung der Türkei in den letzten zwei Jahrzehnten mehr und mehr zum „Fuß in der Tür zum Nahen Osten“ hin gewandelt. So ist etwa die NATO-Air Base im südanatolischen Incirlik seit 9/11 das zentrale „War on Terror“-Drehkreuz in Middle East, von dem aus die westlichen Kriege in Afghanistan, Irak und Syrien koordiniert werden und von wo aus die westlichen Kampfbomber auf ihre tödlichen Missionen starten. Türkische Militärbasen waren auch im illegalen NATO-Angriffskrieg gegen Libyen 2011 von zentraler Bedeutung. Außerdem ist die Türkei neben Belgien, der Niederlande, Italien und Deutschland das einzige nicht-europäische Land, in dem Atombomben der USA lagern – mit 60-70 Bomben beherbergt die Türkei gar das größte Nukleararsenal dieser fünf Länder.

In Verbindung mit der Rolle Ankaras im schändlichen EU-Türkei-Flüchtlingsdeal – unter dessen Autorität die Türkei als Türsteher Europas „uns“ die Flüchtlinge vom Hals hält – ist es diese militärstrategische Wichtigkeit der Türkei als Grenzland zwischen Europa und dem Orient, die ihr Fortbestehen in der NATO zementiert. Der US-geführte Westen sieht die Türkei keineswegs als Schwestern und Brüder im Geiste einer Wertegemeinschaft, sondern hat sich über den Hebel NATO militärisch in sie eingekauft. Die Türkei ist ein Werkzeug zur Vollstreckung imperialistischer Bestrebungen des Westens. Die Frage, ob sie „Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ promotet oder aber immer weiter in die Diktatur abdriftet, ist hierbei schlicht irrelevant.

Die Legitimationskrise der NATO nach 1990 weitete sich im Zuge ihrer aggressiven Expansion rasch zu einer Identitätskrise aus. Die Anbindung an „Mafiarepubliken“ auf dem Balkan und an zutiefst korrupte Oligarchien in Georgien und der Ukraine, sowie das Unterstützen von Faschisten in Kiew, das Festhalten an die zusehends in die Diktatur abdriftende Türkei, genau wie die enge NATO-Partnerschaft mit dem Apartheidsstaat Israel, der Militärdiktatur in Ägypten, oder der faschistischen Diktatur in Saudi-Arabien, machen deutlich, dass es der NATO nicht um die Verteidigung eines diffusen freiheitlichen Wertekanons geht, sondern offenbaren die aggressiv-imperialistische Natur dieses Angriffsbündnisses.

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