Deutschland

Deutsch für Säuglinge: Arbeitsagentur veruntreut hunderte Millionen Euro für Sprachkurse

Deutsch für Säuglinge: Arbeitsagentur veruntreut hunderte Millionen Euro für Sprachkurse

Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs hat die Arbeitsagentur im Zusammenhang mit Deutschkursen für Flüchtlinge hunderte Millionen Euro in den Sand gesetzt. Dies lag unter anderem an mangelnden Vorgaben, fehlerhafter Ausführung und Doppelabrechnungen.

Der Verdacht auf eine Verschwendung horrender Summen durch die Arbeitsagentur geht aus einem 43-seitigen Prüfbericht des Bundesrechnungshofes hervor, der dem Radioprogramm des NDR vorliegt. Wie NDR Info mitteilte, lese sich der Bericht wie eine “vernichtende Aneinanderreihung von Versäumnissen”.

In so genannte Einstiegskurse seien demnach seit Ende 2015, dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, bis zu 400 Millionen Euro geflossen. Ursprünglich sollten 100 Millionen dafür bereitgestellt werden. Von den tatsächlich geflossenen Millionen sei allerdings ein Großteil “de facto ins Leere gelaufen”.

In einem Interview teilte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, dem Sender mit, dass es zudem Doppelförderungen und Doppelabrechnungen gegeben habe. Die Korrektur solcher Fälle sei durch mangelnde Vorgaben vonseiten der Behörde schwer durchzuführen.

Arbeitsmarktförderung für Kinder zwischen 0 und 13 Jahren

Zudem, so der Rechnungshof, war es schwierig, die Kurse auszuwerten, da meist gar keine Anwesenheitslisten geführt wurden. Aufgrund der schlechten Qualität des Lernmaterials habe es aber schwindende und im Regelfall bis zur Kursauflösung führende Teilnehmerzahlen gegeben. Wenn Sie in Deutschland leben, sollten Sie schnell Deutsch lernen”, empfiehlt das BAMF den Flüchtlingen mit Blick auf die Integration in Gesellschaft, Arbeit und Alltag.

Vielleicht dachte sich die Arbeitsagentur, dies könne gar nicht früh genug beginnen, als sie Sprachkurse, die zum Zwecke der “aktiven Arbeitsmarktförderung” vorgesehen waren, auch für Kinder zwischen 0 und 13 Jahren zahlte. Allerdings hatten die Kurse gar nicht bezweckt, Säuglingen und Kindern die deutsche Sprache zu vermitteln.

Auf die Unstimmigkeiten reagierte die Arbeitsagentur mit dem Hinweis, dass die Kurse oft sehr kurzfristig bereitgestellt werden mussten. Daher hatte sie sich nach eigenen Worten entschieden, auf dezidierte Vorgaben zu Inhalten, Methodik, Durchführung und Anforderungen an die Qualifizierung der Lehrkräfte zu verzichten.

Der Bundesrechnungshof lässt diese Rechtfertigung aber in dieser Form nicht gelten. Trotz des unbestritten engen Zeitkorridors zur Umsetzung der Einstiegskurse hätte die Bundesagentur dafür sorgen müssen, dass die Mittel der Arbeitslosenversicherung ihrem Zweck entsprechend eingesetzt würden.

Kreative Arbeitsmarktstatistiken

Dieser Bericht erschien am gleichen Tag, an dem Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles den Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, offiziell in den Ruhestand verabschiedete. Mit diesem konnte die Ministerin neben Überschüssen bei der Behörde auch immer erfreulichere Arbeitslosenzahlen melden. Medien weisen darauf hin, dass sich dies jedoch auch unter anderem auf einen kreativen Umgang mit der Statistik zurückführen lässt. Diese bezog beispielsweise Arbeitslose in Fortbildungsmaßnahmen oder mit Selbstständigen-Status nicht in die Zahl der Erwerbslosen mit ein.

Von 2015 bis 2017 war Weise auf Antrag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auch Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Zuvor hatte er dank dem 2011 in unrühmlicher Weise aus seinem Amt geschiedenen Karl-Theodor zu Guttenberg Erfahrung bei der Bundeswehr sammeln können. Weise bleibt in seinem Ruhestand zunächst Beauftragter der Bundesregierung für Flüchtlingsmanagement.

Als Nachfolger wird der ehemalige Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) neuer Chef der Bundesagentur für Arbeit. Er rückt aus dem Vorstand nach. Im BA-Vorstand neu ist erstmals eine Frau, Valerie Holsboer. Sie war zuvor Geschäftsführerin eines Arbeitgeberverbands und Mitglied der Mindestlohnkommission.

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