Hintergründe

Raubzüge der Eliten – Kennen Sie Glencore?

Raubzüge der Eliten – Kennen Sie Glencore?
Kupfermine von Glencore in Samibia

Internationale Konzerne plündern Afrika im Zusammenspiel mit korrupten Diktatoren aus. Die Diktatoren gewähren den Unternehmen Steuerfreiheit, deren Vorstände füllen sich die Taschen und zahlen sich ihre Gewinne auf Off-Shore-Konten aus. Das afrikanische Volk leidet weiterhin, da ihm die Steuern aufgedrückt werden, die die Konzerne nicht zahlen müssen. Von der Vetternwirtschaft zwischen Staat und Industrie profitiert nur ein erlesener Personen-Zirkel, der Rest der Bevölkerung lebt weiterhin in bitterer Armut.

Im Naturparadies Sambia leben auf einer Fläche, die etwa doppelt so groß wie Deutschland ist, circa 13 Millionen Menschen. Doch das Land trumpft nicht nur mit Naturschauspielen wie den faszinierenden Victoria-Wasserfällen oder einzigartigen Wildtier-Reservaten auf, sondern auch mit Bodenschätzen. In Sambia befindet sich eine der größten Kupferlagerstätten der Welt. Das Edelmetall ist heute eines der bedeutendsten Industriemetalle, kaum eine Industrie oder Technologie kann darauf verzichten. Dementsprechend hoch ist die Nachfrage. Gegen Ende der 1990er-Jahre wurden die staatlichen Kupferminen privatisiert, und der Schweizer Konzern Glencore schlug zu. Er verdoppelte die Kupferproduktion, der Weltmarktpreis für Kupfer begann parallel global zu steigen. 2011 erreichte der Kupferpreis bis zu zehntausend Dollar pro Tonne. Derzeit steht der Preis bei knapp fünftausend Dollar.

Eigentlich müsste Sambia heute ein wohlhabendes Land sein – ist es aber nicht. Es geht dem Land schlechter denn je, denn es ist eines der ärmsten Länder der Welt. Über 60 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb des Existenzminimums. Die Kupferproduktion ist für erhebliche Umweltschäden verantwortlich. Es wurden Trinkwasserreservoirs verseucht. Giftige Gase aus der Kupferschmelze gefährden die Anwohner. Das große Geld ist bei einer kleinen Elite des Landes und vor allem im Örtchen Baar in der vornehmen Schweiz gelandet. Hier sitzt Glencore. Vielen ist der Name wahrscheinlich unbekannt. Dabei handelt es sich um den größten Rohstoffhändler der Welt. Zudem ist Glencore nach Nestlé mit einem Umsatz von über 233 Milliarden Dollar das zweitgrößte Schweizer Unternehmen nach Umsatz. Aus steuerlichen Gründen liegt der registrierte Hauptsitz natürlich auf der Kanalinsel Jersey.

Der Konzern umgeht in den geplünderten Staaten Abgaben und Steuerzahlungen durch verschiedene Tricks. Besonders kreativ in der Umgehung von Steuern ist der oberste Boss von Glencore: Ivan Glasenberg (!), der mit einem Vermögen von über 5 Milliarden Euro auch der reichste Südafrikaner ist. So hat er sich in den Jahren 2012 und 2013 seinen Lohn in Form von Dividenden steuerfrei auszahlen lassen. Das waren 100 Millionen Franken im Jahr 2012 und im ersten Halbjahr 2013 beachtliche 60 Millionen Dollar. Tja, von nichts kommt eben nichts.

Internationale Konzerne plündern Afrika aus

Mit der Vorgabe, keine oder fast keine Steuern zu zahlen, plündern seit Jahrzehnten westliche Konzerne den Kontinent Afrika aus. Ohne Zweifel ist Afrika das Steuerschlupfloch schlechthin. Laut dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan gehen den Ländern Afrikas jährlich über 30 Milliarden Dollar verloren, weil Unternehmen von windigen Steuererlassen profitieren oder ihre Gewinne direkt ungehindert in Steueroasen abführen. Annan spricht von einer modernen Form der «Plünderung». In Sambia wurden die Löhne der Bergarbeiter jahrelang prozentual höher besteuert als die Gewinne der multinationalen Bergbaukonzerne. Zwischen 2010 und 2012 wurden im Kongo hochwertige Bergbaukonzessionen unter größter Geheimhaltung, größtmöglicher Steuerbefreiung und größtmöglicher Gewinnbeteiligung von regierungsnahen Herrschaften verschleudert. Laut Annan sind dem kongolesischen Staat deshalb rund 1,3 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren gegangen. Mit diesem Geld hätte man das Jahresbudget für Gesundheit und Bildung verdoppeln können. Diverse Offshore-Firmen mit Sitz auf den britischen Virgin Islands waren im Kongo auch an der Aufteilung des staatlichen Bergbauunternehmens Gecamines in der reichsten Rohstoffprovinz Katanga beteiligt. Die Lizenzen wurden weit unter Wert verhökert. Inländische Kleptokraten und ausländische Konzerne machen dann den großen Reibach, indem sie mit Profitraten von mehreren hundert Prozent weiterverkaufen.

Auch in Simbabwe hat die Bevölkerung nichts von den Rohstoffen ihres Landes. Gegenwärtig liegt dort die Wirtschaft komplett am Boden. Eine Hyperinflation à la Weimarer Republik grassiert, während das Land und dessen Infrastruktur zerfallen. Der 100-Trillionen-Dollar-Schein Simbabwes, den es bei eBay für circa 20 Euro gibt, ist bei Numismatikern besonders beliebt. In dem Land werden wertvolle Bodenschätze wie Gold, Platin und Diamanten zwar nicht von ausländischen Konzernen, sondern von einem durch und durch korrupten Staat mit einem korrumpierten, steinalten Diktator gefördert. Manche Minen hat sogar das Militär übernommen. Menschen aus der Region arbeiten dort als Zwangsarbeiter. Nach seiner Unabhängigkeit galt Simbabwe als Beispiel für eine positive Entwicklung. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Die gewählte Regierung ist mit Hilfe der heimischen Bodenschätze zu einer grausamen Diktatur verkommen. Damit Robert Mugabe seine Macht erhalten kann, fließen die Einnahmen aus dem Rohstoffsektor vorzugsweise auch an das Militär.

Das blutige Öl

Aus Nigeria kommen nicht nur lustige Spammails à la: «Hallo, ich bin Dr. Miller, und ich möchte Ihnen ein Geschäft anbieten. Ich habe ein Konto von einem ehemaligen afrikanischen Diktator gefunden, mit 14 Millionen Dollar. Für die Auszahlung brauche ich ein Konto in Deutschland. Sie wurden mir empfohlen. Ich würde Sie mit 50 Prozent beteiligen. Bitte überweisen Sie mir 100 Euro, und ich bahne den Deal Ihres Lebens an » Vor allem kommt aus Nigeria – Erdöl.

Allerdings brachte das Öl nicht die große Verheißung, die man sich erhofft hatte, sondern es zerstörte das Land. Als man 1956 erstmals Öl aus den Sümpfen des Niger-Deltas pumpte, begann ein rapider Wandel des Landes. Das einst naturschöne Flussdelta ist heute eine durch Öl verschmutzte und verseuchte Industrielandschaft, deren Bewohner zu den Ärmsten des Landes gehören. In den vergangenen Jahren wuchs die Wirtschaft Nigerias zwischen vier und sieben Prozent, jedoch leben immer noch mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in bitterer Armut. Vom Öl ist der Staat abhängiger denn je, denn aus der Ölindustrie stammen mehr als 90 Prozent der Exporteinnahmen.

Nigeria ist der weltweit achtgrößte Ölproduzent und steht vor einem Dilemma. Einerseits produziert das Land gegenwärtig rund 2,2 Millionen Barrel Öl pro Tag – das bei Raffineriekonzernen aufgrund seines sehr geringen Schwefelanteils äußerst begehrt ist (dadurch lassen sich leichter die strikten Umweltauflagen im Westen erfüllen). Andererseits ist die Technik der Raffinerien in einem dermaßen bemitleidenswerten Zustand, dass Nigeria sogar auf Benzineinfuhren angewiesen ist. Im Jahr 1970 lebte ein Drittel der damals knapp 56 Millionen Nigerianer unter der Armutsgrenze. Heute – 450 Milliarden US-Dollar Erdöleinnahmen später – leben sage und schreibe 120 Millionen von insgesamt 180 Millionen Einwohnern, also zwei Drittel der Bevölkerung, unter der Armutsgrenze. Nach wie vor kann eine vollkommen unterentwickelte Landwirtschaft den inländischen Nahrungsmittelbedarf nicht decken.

Während Konzerne wie beispielsweise „Shell“ und „Total“ sowie eine kleine inländische Elite sich lange Zeit die Taschen vollmachten bzw. machen, bekommt die Bevölkerung weiterhin nichts vom großen Öl-Kuchen ab. Laut Schätzungen versickert rund die Hälfte der Erdöleinnahmen in privaten Taschen. Das bedeutet, dass Hunderte von Milliarden Dollar seit der Entdeckung der Ölfelder der Bevölkerung gestohlen wurden. Laut einer Studie der Analysefirma New World Wealth wird es 2018 in Nigeria über 20 000 Millionäre geben. Bereits heute kommt der reichste Afrikaner aus Nigeria: Aliko Dangote, mit 14,7 Milliarden US-Dollar Vermögen. Unterdessen explodiert die Bevölkerung. Derzeit werden jährlich sieben Millionen Kinder geboren. Das sind rund zehnmal so viele wie in Deutschland. Schätzungen zufolge dürfte Nigeria bis zum Jahr 2050 mit 450 Millionen Einwohnern hinter China und Indien auf Platz drei der bevölkerungsreichsten Länder der Erde liegen.

Laut einer Studie der US-Beratungsfirma Mercer ist Luanda, die Hauptstadt Angolas, für Ausländer die teuerste Stadt der Welt. Wie kann das sein in einem Land, in dem zwei Drittel der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar am Tag leben und jedes Jahr 150 000 Kinder vor ihrem fünften Geburtstag aufgrund von bitterer Armut sterben? 98 Prozent der Exporte des Landes bestehen aus Rohöl und Diamanten. Die immensen Einnahmen daraus verbleiben selten in Angola, sondern werden in Steueroasen verschoben. Zwischen 1970 und 2009 waren es sage und schreibe 80 Milliarden Dollar. Misereor bringt es knallhart auf den Punkt: «Die Plünderung der reichen Ressourcen Afrikas, wie Mineralien, Erdöl, Gas, Holz, Fisch durch die westlichen Industriestaaten und jetzt auch die Schwellenländer bringt keine spürbaren Verbesserungen für die Bevölkerung, die oft sogar ihre Lebensgrundlagen verlieren und noch ärmer werden.»

Positive Ansätze aus Botswana

Ein Land hat es in Afrika bisher anscheinend richtig gemacht: Botswana. Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1966 war es noch eines der ärmsten Länder der Welt. Dank seiner Diamantenschätze und einer umsichtigen Elite und deren nachhaltiger Politik ist Botswana heute eine der reichsten und stabilsten Demokratien des afrikanischen Kontinents. Gehen wir dieser scheinbar erfreulichen Entwicklung einmal näher auf den Grund: Tatsächlich wurde all das richtig gemacht, was Angola, Sambia, Nigeria und viele andere Länder falsch gemacht haben. Nachdem die Diamanten entdeckt worden waren, holte man sich einen kompetenten Partner ins Land. Zusammen mit dem Weltmarktführer De Beers wurde ein Joint Venture gegründet. Heißt: Nicht die Südafrikaner allein kassieren für ihr Know-how in der Diamantenförderung. 50 Prozent der Gewinne gehen an den botswanischen Staat. Und diese Gewinne versickern nicht etwa wie anderenorts in dunklen Kanälen, sondern sie werden gerecht verteilt und von gewissenhaften Politikern bisher klug in Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur investiert. Möglich war dies durch funktionierende Institutionen und eine tüchtige Verwaltung, eine unabhängige Justiz und eine relativ niedrige Korruptionsrate.

Trotz des Rohstoffreichtums beklagt Botswana aktuell eine Arbeitslosenquote von 18 Prozent. Und der richtige Härtetest wird erst noch kommen. 70 Prozent seiner Staatseinnahmen verdankt das Land den glitzernden Steinchen. Die Abhängigkeit der Volkswirtschaft vom Diamanten kann man getrost als «Klumpenrisiko» bezeichnen. Denn es wird immer schwieriger und teurer, die Steine zu finden. Ab 2020 soll der «Peak Diamond» erreicht und in zwanzig bis dreißig Jahren der Quell des Reichtums endgültig versiegt sein. Was dann? Hat man bis dahin alternative Branchen aufgebaut, die den Ausfall auffangen können? Hat man nachsichtig und vorsorglich investiert? Falls nicht, werden Bildung und die derzeit noch kostenlose medizinische Versorgung nicht mehr zu finanzieren sein. Schließlich gibt es ein gravierendes medizinisches Problem: Botswana hat die dritthöchste HIV-Rate der Welt; 18,5 Prozent aller Erwachsenen leiden an Aids.

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