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Vom Friedensforscher zum Verschwörer: Daniele Ganser und die Medien – Interview

Vom Friedensforscher zum Verschwörer: Daniele Ganser und die Medien – Interview
Daniele Ganser möchte mit seiner Forschung zu einer friedlichen Welt beitragen – und beschäftigt sich deshalb mit Kriegen.

Furchtbar, diese Häretiker! Sie kritisieren einfach die bestehenden Verhältnisse, insistieren auf deren Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit. Damit treten sie jenen auf die Füße, die nicht gewohnt sind, dass man sie infrage stellt. Der Politik, der NATO, der allgegenwärtigen neoliberalen Ideologie und ihren Apologeten. Einer, der sich nicht verbiegen lässt, sondern sagt, was er erkannt hat und für die Wahrheit hält, ist der Schweizer Friedensforscher Daniele Ganser, der zurzeit massiven Anfeindungen seitens der journalistischen Zunft ausgesetzt ist. Jens Wernicke sprach mit ihm zur Rolle der Medien im Kampf um die Wahrheit und eine bessere Welt.

Herr Ganser, seit Erscheinen Ihres letzten Buches sind Sie medial wieder sehr präsent. Zuletzt gab man Ihnen im Schweizer Fernsehen sogar die Gelegenheit, Ihre Analyse und Einschätzung zur Lage zu verbreiten. Wie behandeln die Medien Sie? Was bewirken Ihre Forschung und Ihre Kritik?

Das stimmt, ich erhalte derzeit sehr viele Anfragen von den Medien und gebe immer wieder Interviews. Dies vermutlich, weil mein neues Buch „Illegale Kriege: Wie die NATO Länder die UNO sabotieren“ seit Oktober 2016 auf dem Markt ist und beim Publikum und auch bei verschiedenen Journalisten auf großes Interesse gestoßen ist. Das Buch ist inzwischen schon in der fünften Auflage, und das in nur sechs Monaten. Das hätte ich nicht erwartet, es freut mich natürlich und ich danke allen Leserinnen und Lesern für ihr Interesse.

Im Buch mache ich auf der Basis meiner historischen Forschung klare Aussagen. Ich erkläre, dass die USA das Imperium sind; dass die USA zudem keine Demokratie mehr sind, sondern eine Oligarchie, eine Herrschaft der wenigen Reichen. Ich zeige, dass die NATO kein Verteidigungsbündnis, sondern ein Angriffsbündnis ist. Ich lege konkret dar, dass die Angriffskriege gegen Syrien, Irak, Libyen, Afghanistan, Jemen, Serbien, Nicaragua, Vietnam, Kuba, Ägypten und die Putsche in Guatemala, Iran und der Ukraine illegal waren, weil es kein UNO-Mandat gab.

Diese klaren und im Buch sehr genau belegten Aussagen haben sowohl Lob wie auch Kritik erzeugt. Soll heißen, einige Medien haben mich angegriffen, andere haben mich unterstützt, das erlebe ich seit Erscheinen meines Buches ganz konkret.

Medien, die „unterstützen“, und Medien, die „angreifen“? Das klingt ja nicht gerade nach Unparteilichkeit. Was erleben Sie konkret?

Zum einen: Große Unterstützung für meine Friedensforschung und auch für meine Kritik an den NATO-Kriegen und am US-Imperium. Diese kommt vor allem in der Form von Interviews und Buchbesprechungen vor allem von den kleineren, alternativen Medien, darunter Hintergrund, NachDenkSeiten, KenFM, Free21, Neue Rheinische Zeitung, Zeitpunkt, Der Europäer, Friedensjournal, Luzerner Zeitung, Infosperber und anderen. Bei den Unterstützern fällt auf, dass der Ton immer sehr sachlich und ruhig war und ich korrekt als Historiker und Friedensforscher bezeichnet wurde.

Ganz anders war es bei jenen Medien, die mich nach der Publikation meines Buches angegriffen haben und hierbei jeweils den VT-Frame einsetzen, also gezielt die Begriffe „Verschwörungstheorie“ oder „Verschwörungstheoretiker“ in den Text oder das entsprechende Video eingearbeitet haben, um meine Kritik am US-Imperium und am NATO-Angriffsbündnis als unsinnig und unbegründet darzustellen.

Am auffallendsten war diese Art des „Umgangs“ sicherlich in den Sendungen „Einstein“ vom Januar und in der „Arena“ vom Februar dieses Jahres, beide ausgestrahlt im Schweizer Fernsehen SRF. Dort wurde ich so offensichtlich mit unfairen Methoden angegriffen, vor allem mit dem VT-Frame, dass die SRF-Ombudsstelle inzwischen fast 500 Beanstandungen erhalten hat. Das sind mehr als je zuvor in der Geschichte.

Und auch in den etablierten Print-Medien wurde ich seit Erscheinen des Buches wiederholt mit dem VT-Frame diffamiert. Diffamierende Texte zu mir und meinem neuen Buch publizierten etwa die WOZ, das Tages-Anzeiger Magazin, die FAZ in Deutschland und der Kurier in Österreich.

Sie sprechen vom „VT-Frame“, was genau meinen Sie damit?

Das ist eine Abkürzung und bedeutet „Verschwörungstheoretiker-Frame“. Als Frame bezeichnet man den Deutungsrahmen, den der Journalist für seine Geschichte wählt. Wenn er also einen negativen Bericht über mein neues Buch oder meine 9/11-Forschung schreiben will, dann nimmt er den VT-Frame.

Dadurch wird beim Zuschauer oder Leser die Assoziation geweckt, dass in diesem Buch nur wilde Verschwörungstheorien stehen, also alles sowieso Unsinn ist, und dass man das Buch gar nicht erst kaufen, geschweige denn lesen braucht.

Der Journalist schafft also mit dem VT-Frame einen negativen Kontext, der vor allem jene Leser und Zuschauer irritiert, die diesen Trick mit dem VT-Frame nicht kennen. Einige Medien benutzen ihn auffällig oft. Und immer geht es darum, unliebsame Kritiker mundtot zu machen. In einem früheren Fall ist etwa auch Albrecht Müller, der Herausgeber der NachDenkSeiten, einer solchen Manipulation zum Opfer gefallen: Man hat einfach eines seiner guten und wichtigen Bücher neben Hitlers „Mein Kampf“ dargestellt. Eine wirklich üble Methode, um zu versuchen, gute Leute in eine Schmuddelecke zu stellen.

Der Zweck dieser Manipulationen, und das erkennen jetzt immer mehr wache Menschen, besteht darin, die Zielperson von vornherein als unseriös zu diffamieren und also unglaubwürdig zu machen. In den SRF-Sendungen Arena und Einstein wurde das sehr aktiv gemacht. Oft haben aber die Journalisten, die den VT-Frame einsetzen, mein Buch gar nicht gelesen und in den konkreten Sachfragen wie WTC7 wenig Ahnung.

Sie sind in diesen beiden Sendungen also nicht fair behandelt worden? Woran genau machen Sie dies fest?

Nein, das war nicht fair, ganz und gar nicht. In der Arena hat man meine E-Mails zerschnitten und dann in Fragmenten und aus dem Zusammenhang zitierend präsentiert. Das war Lückenpresse live. Das geht gar nicht.

Zudem haben mich der Moderator Jonas Projer und der Journalist Roger Schawinski mit dem VT-Frame angegriffen. Schawinski hatte sogar die Frechheit, zu behaupten, 9/11 sei geklärt, da brauche es keine weitere Forschung. Meine Forschung zu WTC7 sei also völlig überflüssig und nicht erwünscht. Ähnliches habe ich auch schon von der US-Botschaft in der Schweiz gehört. In der Arena wollte ich über die NATO-Kriege und die Bomben, die Präsident Obama hat werfen lassen, sprechen, aber das wollte der Moderator nicht hören, da durfte ich jeweils nur sehr kurz sprechen und wurde dann sofort unterbrochen. Kurzum, es war anstrengend.

Auch die Einstein-Sendung war schlecht. Dort wurde meine Forschung zu 9/11 und WTC7 ganz massiv mit dem VT-Frame bearbeitet. Das bedeutet konkret, dass man nur sogenannte „Experten“ befragt hat, die vor laufender Kamera erklärten, meine Fragen zum Einsturz von WTC7 seien einfach nur Verschwörungstheorien bzw. ich selber sei ein Verschwörungstheoretiker.

Das ist eine Frechheit und aktive Diffamierung. Ich bin Historiker und Friedensforscher und mache einfach nur meine Arbeit, ich untersuche die NATO-Kriege und wie sie ausgelöst wurden. In meinem neuen Buch lege ich alle Daten klar dar. Aber die Journalisten der Einstein-Sendung wollten meine differenzierte Analyse nicht präsentieren. Sie hätten natürlich auch ganz andere Personen befragen können, die wirklich etwas von der laufenden 9/11-Debatte und dem Einsturz von WTC7 verstehen, wie zum Beispiel den emeritierten Professor Jörg Schneider, Baustatiker der ETH Zürich, oder Richard Gage aus San Francisco, der die mehr als 2.000 Architects and Engineers for 9/11 Truth in den USA anführt, welche alle den Einsturz von WTC7 kritisch hinterfragen. Oder den emeritierten Professor David Ray Griffin, der ein ganzes Buch zu WTC7 geschrieben hat.

Die Journalisten der Einstein-Sendung hätte also mehr als 2.000 wirkliche Experten befragen können. Diese hätten bezeugt, dass meine kritische historische Forschung zu diesem Terroranschlag wichtig und präzise ist, weil in der Tat nicht geklärt ist, ob WTC7 wegen Feuer oder Sprengung einstürzte. Sicher ist nur, dass das Gebäude nicht von einem Flugzeug getroffen wurde. Und dass BBC den Einsturz 20 Minuten zu früh vermeldete, also als das Gebäude noch stand. Für mich als Historiker ist es sehr merkwürdig, dass BBC den Einsturz von WTC7 zu früh vermeldet hat. Weil in der Geschichte gibt es diese alte Regel: Zuerst das Ereignis, dann der Bericht. Nicht umgekehrt. Zudem wird im offiziellen Untersuchungsbericht zu 9/11 aus dem Jahre 2004 der Einsturz von WTC7 nicht einmal erwähnt, da fehlt also ein Gebäude, daher taugt dieser Bericht nichts.

https://www.youtube.com/watch?v=nK8za51Hr20

Es gibt also wichtige offene Fragen und es ist Aufgabe der Wissenschaft, diesen Fragen nachzugehen. Aber die Journalisten der Einstein-Sendung haben nicht nur den VT-Frame gegen mich eingesetzt und das merkwürdige Verhalten von BBC verschwiegen, sondern zusätzlich den Kontext so manipuliert, dass beim Zuschauer ein schlechtes Gefühl entstand. Sie haben konkret meine WTC7-Forschung mit absurden anderen Geschichten vermischt wie Klimawandel sei eine Lüge und Protokolle der Weisen von Zion, die nichts mit 9/11 oder der NATO zu tun haben, aber so entstand eine wenig ansprechende Suppe, und das war genau das Ziel der Sendung, die den Titel trug „Anatomie von Verschwörungstheorien“. Es sollten nicht nüchtern die Fakten der aktuellen 9/11-Forschung dargelegt werden, sondern der TV-Zuschauer sollte erschrecken und das Gefühl bekommen, dass man da auf keinen Fall genauer forschen sollte, weil ja eh alles nur absurde Verschwörungstheorien seien.

In den sozialen Netzwerken hat diese unfaire Einstein-Sendung zu vielen Diskussionen geführt, auf YouTube hat zum Bespiel Bodo Schickentanz von Mainz Free TV die Sendung kritisch analysiert.

Damit ist klar, dass heute immer mehr Menschen wach sind und sich fragen, was das Fernsehen ihnen eigentlich vorsetzt. Einer schrieb, ich weiß nicht mehr, wer es war: „Immer mehr Menschen empfinden das Fernsehprogramm als geistige Körperverletzung“.

Woran erkennt man eine manipulative, stigmatisierende Auseinandersetzung mit einem Thema oder einer Person?

Wenn der VT-Frame eingesetzt wird, das ist ein klares Zeichen. Oder wenn man in die rechte Ecke gestellt wird, das ist auch ein Diffamierungsversuch, also wenn man ein Buch von Hitler daneben stellt. Stets wird der Kontext negativ gestaltet, das soll dann auf die Zielperson abfärben.

In der Werbung nutzt man übrigens dieselbe Technik: Es wird ein positiver Kontext geschaffen, schöne Frau, cooler Typ, wilde Natur, das soll dann auf das Produkt abfärben, uns also dazu verleiten, das beworbene Auto oder Kleid zu kaufen. Die Psychologie hat bewiesen, dass der Kontext wirkt. Sonst würde man nicht Millionen Euro in der Werbung ausgeben, um sein Produkt in einem positiven Kontext zu präsentieren.

Und woran erkennt man, dass die Journalisten das tun, wozu sie vorzugeben, da zu sein, also offen und objektiv verschiedene Personen und Positionen zu Wort kommen zu lassen?

Wenn die Debatte oder der Text sachlich sind, also auf das Thema fokussieren, und zum Beispiel gefragt wird: Ist es wahr, dass die CIA in Syrien Banden bewaffnet und trainiert hat, um Assad zu stürzen? Und dann Experten zu Wort kommen lässt, die aus ihrer jeweiligen Perspektive das beantworten. Die Experten können sich ruhig widersprechen. Eine Pluralität von Perspektiven ist immer gut. Aber sie müssen fair und sachlich vorgestellt werden und man muss ihnen Zeit geben, um ihre Daten zu präsentieren. Sonst ist es nur Show, nur Theater.

Wissen oder vermuten Sie, wie diese Attacke in der Arena auf Sie vorbereitet wurde und ggf. auch von wem? Und, natürlich: Cui bono – wem nützt so etwas und warum kommt es ausgerechnet jetzt?

Nein, ich weiß nicht, wer die Attacke auf mich in der Arena vorbereitet hat, ich weiß nur, dass es eine Attacke war. Und natürlich war es geplant, die Einblender hatten die Journalisten ja vor der Sendung vorbereitet. Es war also kein Zufall. Es war Absicht.

Aber viele Zuschauer haben es durchschaut, sie haben den VT-Frame erkannt, der wird ja so oft eingesetzt, dass er immer bekannter wird. Und sie haben auch erkannt, wie im Sinne der Lückenpresse meine Mail zerschnitten wurde.

Ist es eigentlich schlimmer, wenn man im Fernsehen diffamiert wird, als wenn dasselbe durch Print-Journalismus passiert?

Es ist immer unangenehm, wenn man diffamiert wird. Es schmerzt. Aber als Historiker kann ich es geschichtlich einordnen und relativieren. Früher wurden Ketzer verbrannt! Was war ihr Verbrechen? Sie waren Menschen, die öffentlich eine andere als die in bestimmten Angelegenheiten für gültig erklärte Meinung vertraten.

Friedensforscher und auch Friedensaktivisten, die sich aktiv gegen Gewalt und Kriegspropaganda aussprachen, wurden immer wieder angegriffen. Hans und Sophie Scholl von der Friedensbewegung Weiße Rose wurden enthauptet. Warum? Weil sie 1943 in der Universität München Flugblätter gegen die Hitler-Diktatur und gegen den Krieg verteilten.

So schlimm ist es heute zum Glück nicht mehr. Jemand, der auch in der Friedensforschung aktiv ist, hat mir kürzlich gesagt: „Weißt Du, sie können uns gar nicht mehr alle umbringen, wir sind zu viele. Sie können uns jetzt nur noch diffamieren, und auch dieses Spiel wird immer mehr durchschaut.“

Aber wenn Sie nach dem Unterschied zwischen Diffamierung durch das Fernsehen oder durch eine Zeitung fragen, und ich habe ja beides schon erlebt, dann gibt es schon einen großen Unterschied: Die Zeitung kann ich abbestellen. Einfach das Abo kündigen. Das habe ich zum Beispiel gemacht, nachdem ich viele Jahre die NZZ am Sonntag gelesen hatte, aber dann sah, wie einseitig die zum Konflikt in der Ukraine und zum Syrienkrieg berichtet haben. Heute lese ich diese Zeitung nicht mehr und bezahle auch nichts mehr für diese Journalisten. Viel eher würde ich mal an KenFM spenden, das habe ich zwar bis jetzt noch nie getan, aber ich glaub, das werde ich mal tun.

Beim Fernsehen ist es aber anders als bei der Zeitung. Das können sie nicht abbestellen. Jeder Haushalt ist verpflichtet, dafür zu bezahlen. In der Schweiz sind es 462 Franken pro Jahr, die Firma Billag treibt diese Radio- und Fernsehgebühr ein. Das ergibt die hübsche Summe von einer Milliarde plus 300 Millionen Franken, davon erhält SRF mehr als eine Milliarde, also den Löwenanteil. In Deutschland beträgt das Gebührenaufkommen sogar 8 Milliarden.

Das SRF hat diese Sendungen Arena und Einstein mit dem VT-Frame produziert. Für mich ist das eine absurde Situation: Ich bezahle über die Billag-Gebühr zusammen mit den anderen Bürgerinnen und Bürgern den Lohn der Journalisten, die mich diffamieren. Das ärgert mich schon. Und es ist undemokratisch.

Sie sagen und schreiben ja immer wieder, dass wir uns in einem „Informationskrieg“ befinden. Welche Rolle spielen denn die Medien in diesem – ganz konkret eben auch anhand des Umganges mit Ihnen?

Wir müssen aufpassen, dass wir nicht pauschalisieren. „Die Medien“ gibt es ja nicht, genauso wenig wie „die Journalisten“. Es gibt sehr viele verschiedene Brands bei den Medien, und sehr viele verschiedene Journalisten. Einerseits helfen die Medien, diesen Informationskrieg zu verstehen. Das, was wir hier gerade machen, ist ja auch ein Interview, das publiziert wird, das ist also auch die Medienwelt, und wir brauchen diese Medienwelt und wir brauchen mutige und ehrliche Journalisten, um die Welt um uns herum zu verstehen.

Aber auf der anderen Seite verbreiten die Medien leider auch immer wieder Kriegspropaganda. So hat beispielsweise die SUN in Großbritannien vor dem Angriff von Tony Blair auf den Irak behauptet, Saddam Hussein und Osama Bin Laden würden zusammenarbeiten. Das war eine dreiste Lüge. Aber so konnte man das Volk täuschen und den illegalen Angriff auf den Irak als Anti-Terror-Kampf verkaufen. Die Medien haben also geholfen, den Krieg zu verkaufen und die Bürger zu verwirren.

Dasselbe passierte mit den US-Soldaten. Bei einer Umfrage nach dem Krieg sagte eine Mehrheit, ihre Rolle im Irak habe darin bestanden, Saddam Hussein für den 11. September zu bestrafen. Doch Saddam Hussein hatte nichts mit dem 11. September zu tun! Diese Lüge wurde nur sehr oft im Fernsehen wiederholt und daher glauben es die Soldaten und ihre Familien. An diesem Beispiel sehen wir, wie schrecklich sich Kriegspropaganda auswirkt. Die Soldaten sind in einem fremden Land und erschießen dort Menschen, haben aber den globalen Kontext nicht durchschaut und wissen nicht, dass sie angelogen worden sind.

Sehen Sie seit der Publikation ihres neuen Buches eine Steigerung zu bisherigen Diffamierungsstrategien?

Ja, ich habe den Eindruck, dass in den letzten sechs Monaten vor allem jene Journalisten, die stramm hinter der NATO stehen und auch nicht wollen, dass WTC7 neu untersucht wird, nochmals heftiger den VT-Frame gegen mich einsetzen. Es tobt ein Kampf um die Deutungshoheit. Und das wird nicht aufhören. Wir befinden uns mitten im Informationskrieg.

Wie ist die „Gegenstrategie“ zu Diffamierungsstrategien? Wie haben Sie es geschafft, ruhig zu bleiben, als Sie angegriffen wurden?

Ich bleibe immer ruhig und sachlich. Es gibt keinen anderen Weg. In der Arena habe ich mich aber schon auch aufgeregt, da fiel es mir schwer, völlig ruhig zu bleiben.

Ich weiß inzwischen, dass es Teil meines Jobs ist, Schläge einzustecken, wie ein Boxer. Ich muss einfach an meiner Deckung arbeiten.

Was ist die Deckung in der Friedensforschung? Erstens die innere Ruhe und zweitens die Fakten, ich muss also in meiner Forschung extrem genau sein.

Das ist mir jetzt etwas zu allgemein. Können Sie das an einem konkreten Beispiel erläutern?

Kann ich schon. Also, wenn ein Angriff kommt, in Print oder in Video, dann schau ich mir den genau an. Der WOZ-Artikel zum Beispiel hatte den Titel „Das Ganser-Phänomen“. Das ist neutral, das ist in Ordnung. Doch danach im Lead kommt der Angriff, indem ich als „umstritten“ bezeichnet werde, das ist der erste Angriff, und der wird dann kombiniert mit einem zweiten Angriff, dem bekannten VT-Frame, und einem dritten Angriff, dem völlig erfundenen Vorwurf, ich sei rechts oder zitiere rechte Bücher. Nämlich so:

„Der umstrittene Historiker Daniele Ganser hat mit seinem neuen Buch «Illegale Kriege» erneut einen Bestseller geliefert. Dass er darin rechten VerschwörungstheoretikerInnen eine Plattform gibt, schadet den Verkäufen offensichtlich nicht.“

Beim Leser bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Und das ist auch das Ziel des WOZ-Journalisten. Ganz anders die positive Besprechung meines Buches in der Zeitung Neues Deutschland. Die vermeiden den VT-Frame und bringen diesen Titel: „Die Kriege der Mächtigen“ und im Lead:

„Daniele Ganser enthüllt, wie die USA und die NATO die UNO sabotieren, Unfrieden und Unsicherheit stiften.“

Das ist fair, das ist sachlich. So geht es also auch.

Sie fühlen sich also nicht von allen Medien unfair behandelt?

Nein, überhaupt nicht. Es gibt viele Journalisten, welche sich für den Frieden einsetzen und mich unterstützen. Viele Journalisten sind gut, machen tolle Arbeit. Der Journalist Paul Schreyer zum Beispiel hat im Hintergrund eine sehr präzise und faire Besprechung meines Buches veröffentlicht. Der Journalist Ken Jebsen hat in Berlin ein langes Videointerview mit mir zum Buch geführt, das fair und spannend war. Albrecht Müller von den NachDenkSeiten hat in Landau einen Vortrag von mir unterstützt, der gefilmt wurde und auf YouTube mehr als 140.000 Views erzielt hat.

Selber schätze ich die Bücher der Journalisten Michael Lüders und des leider verstorbenen Peter Scholl-Latour. Mit dem Schweizer Journalisten Erich Gysling und mit dem deutschen Journalisten Ulrich Tilgner war ich in Katar. Das sind sehr gute, sehr ehrliche Menschen, welche den Nahen Osten sehr gut kennen und sich dafür einsetzen, dass man andere Länder nicht bombardieren, sondern verstehen sollte.

Man muss auf jeden Fall differenzieren zwischen den verschiedenen Medienmarken und auch den verschiedenen Journalisten. Es geht mir nicht darum, „die Medien“ pauschal zu kritisieren. Es gibt in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland tolle und mutige Journalisten, die kritisch nachfragen. Aber es gibt leider auch viele, welche die Kriegslügen der NATO verbreiten und in die gute Stube tragen.

Diese Journalisten greifen mich umgehend mit dem VT-Frame an, sobald ich kritische Fragen zu 9/11 und WTC7 stelle oder die illegalen NATO-Kriege oder das US-Imperium kritisiere. Das ist scheinbar eine Tabuzone. Doch die historische Forschung und die Friedensforschung muss genau über diese Themen forschen und sprechen, sonst kommen wir nicht aus der Gewaltspirale raus.

Können Sie sagen, welche Medien sich hier auf welche Seite in diesem „Informationskrieg“ schlagen? Gibt es da ein grobes Raster des Verständnisses, das ggf. auch für andere hilfreich ist?

Ja, man kann grundsätzlich zwischen NATO-kritischen und NATO-freundlichen Medien unterscheiden. Das bedeutet nicht, dass jeder Bericht im entsprechenden Sender oder in der entsprechenden Zeitung dann diese Linie vertritt, aber doch schon die meisten. Die Website Swiss Propaganda Research hat im März 2017 den so genannten Medien-Navigator publiziert. Die Ergebnisse sind frappierend für mich: Er zeigt auf einen Blick, welche Medien mich angegriffen haben und welche mich unterstützt haben.

Das bedeutet, es geht im Kern gar nicht um mich, sondern um die Kritik an der NATO und die Fragen zu 9/11 selbst. In einigen Medien ist das erlaubt, in anderen wird das heftig bekämpft. Ich denke, jeder sollte das Medium, das er am meisten liest, mal im Navigator suchen und dann mal von der anderen Seite was lesen, einfach um zu erkennen, wie groß doch der Unterschied ist.

Wie soll es nun weitergehen? Wie gehen Sie und sollte die Friedensbewegung mit diesen Angriffen der Medien in Zukunft umgehen? Interviews ablehnen? Meditieren? Was meinen Sie?

Man soll unbedingt mutig sein und immer Kriegspropaganda ablehnen. Gleichzeitig soll man sein inneres Gleichgewicht stärken, sodass man nicht sofort außer Balance kommt, wenn man diffamiert wird. Vor allem aber soll man mit viel Zuversicht in die Zukunft schauen und mit Freunden kooperieren. Vieles ist möglich, die Friedensbewegung wird immer stärker.

Ich bedanke mich für das Gespräch.

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