Hintergründe

Machen False Flags immer noch Geschichte? Vorgeschobener Vorwand als politischer Stil

Machen False Flags immer noch Geschichte? Vorgeschobener Vorwand als politischer Stil
US-Außenminister Colin Powell präsentiert am 5.2.2003 vor dem Weltsicherheitsrat in New York ein Röhrchen mit weißem Pulver, das angeblich Antrax-Erreger enthält.

Provokationen unter falscher Flagge gehören seit jeher zu den dreckigsten und doch gängigsten politischen Schachzügen. Denn die Öffentlichkeit geht anhaltend unkritisch damit um. Ein kurzer Rückblick auf die bekanntesten False Flags der Geschichte.

Der Begriff der False-Flag-Operation stammt aus der Seefahrt und geht auf Angriffe der englischen Korsaren auf spanische Schiffe in der Karibik zurück. Sie führten diese unter einer falschen – damals französischen – Flagge. Ziel war es, Streit zwischen den Verbündeten zu säen. Die Methode selbst dürfte aber viel älter sein – solange man Kriege führt, sucht man für diese auch Vorwände.

Heutzutage steht der Begriff unmittelbar im Zusammenhang mit einem Ziel der Einflussnahme auf die Öffentlichkeit, etwa durch Hysterie, die in den Medien erzeugt wird. Politiker neigen in solchen Situationen dazu, schnell Dinge zu tun, die den Erwartungen der aufgebrachten Öffentlichkeit entsprechen. Sie schaffen Fakten, noch bevor die Wahrheit über die mutmaßliche Provokation ans Licht kommt.

Selbst ein Unfall, wie es beim amerikanischen Kreuzer Maine am 15. Februar 1898 vermutlich der Fall war, kann so einen Vorwand für eine Kriegserklärung liefern. Heute weiß man, dass es sehr wahrscheinlich ein Feuer im Munitionsabteil war, das zu der folgenschweren Explosion auf dem Schiff geführte. Damals haben die Amerikaner die Spanier für den Tod von 260 Seeleuten verantwortlich gemacht:

„Remember the Maine – to hell with Spain!”, wurde zum Schlachtruf in der Presse.“

Die aufstrebende Weltmacht besiegte schnell die alte Kolonialmacht und entledigte sie ihrer letzten Besitztümer – der Philippinen, Kubas, Puerto Ricos und Guams.

Ein weiterer prominenter Vorfall, mittels dessen der Vorwand für eine weitreichende Aggression entweder konstruiert oder vorgeschoben wurde, ist der Reichtagsbrand vom 28. Februar 1933, der politische Verfolgungen durch die Nationalsozialisten und deren uneingeschränkte Machtergreifung legitimieren sollte.

In der wenig ruhmreichen False-Flag-Liste dürfen auch die so genannten Tonkin-Zwischenfälle am 2. und 4. August 1964 nicht fehlen, als angeblich zwei nordvietnamesische Schnellboote amerikanische Kriegsschiffe in der Tonkin-Bucht attackiert haben sollen. Infolgedessen entfesselten die US-Amerikaner einen den verlustreichsten Krieg seit 1945 – den Vietnam-Krieg. Die Angriffe der Vietnamesen waren frei erfunden, so viel steht heute fest, wie sich auch aus zahlreichen internen Militärquellen der Amerikaner verifizieren lässt.

Es waren die Geheimdienste zu Zeiten des Kalten Krieges, die die Kunst der Provokation auf zuvor unerreichte Höhen hievten. Seit Ende der 1980er Jahre kommen immer mehr Informationen ans Licht, wie die NATO ganze Geheimarmeen in westlichen Staaten unterhielt, um diese – Stichwort Gladio (Schwert) – im Fall eines sowjetischen Einmarsches in Westeuropa für Sabotage und nachrichtendienstliche Arbeit hinter feindlichen Linien bereitzuhalten. Nur wollten die Russen ihnen einfach diesen Gefallen nicht tun.

Vor allem in Südeuropa waren Parallelstrukturen innerhalb von staatlichen Stellen, Polizei und Militär in dieser Mission besonders aktiv, dort, wo seit dem Zweiten Weltkrieg die prokommunistischen und prosowjetischen Stimmungen besonders stark waren. Nicht zuletzt Anschläge und Terrorakte, vermeintlich durch linke Terroristen ausgeführt, sollten die Bevölkerung von sozialistischen Ideen abbringen und die NATO als Schutzmacht legitimieren.

Der Anschlag in Bologna im Sommer 1980, bei dem 85 Menschen starben, der Mord am italienischen Premier-Minister Aldo Moro im Jahr 1978 sowie der versuchte Anschlag auf den Papst Johannes Paul II. waren die Höhepunkte dieser Strategie der Destabilisierung und des Terrorismus unter falscher Flagge.

Der Begriff des “Reichs des Bösen” in Bezug auf die UdSSR stammt aus dieser Zeit. Böse war die UdSSR vor allem, weil man sie als Förderer einer weltweiten bisweilen echten, sehr oft aber auch nur vermeintlich linken Militanz im Westen anprangerte.

Um das Instrumentarium zu verstehen, mit denen vor allem die US-amerikanischen Geheimdienste bereit waren, zu arbeiten, sollte man sich des so genannten Northwoods-Memorandums erinnern. Dieser Geheimplan wurde am 13. März 1962 dem damaligen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy vorgelegt.

Die “schlimmsten Pläne, die je von einer US-amerikanischen Regierungsinstanz produziert worden sind” (James Bamford), sahen eine verdeckte Kriegsführung gegen Kuba vor, um den USA den Vorwand für einen Einmarsch in der Rebellenrepublik zu liefern.

Diese beinhalteten:

  • Verbreitung von Gerüchten über Kuba durch klandestine Radiosender
  • Anschläge gegen kubanische Flüchtlinge in den USA, für die man Castro verantwortlich machen wollte
  • Versenkung eines amerikanischen Schiffes in der Bucht von Guantanamo
  • Zerstörung einer amerikanischen Militärbasis oder eines amerikanischen Flugzeuges, anschließende
  • Beschuldigung kubanischer Truppen
  • Zerstörung eines angeblich mit in die Ferien reisenden Studenten gefüllten Passagierflugzeuges
    einen möglichen Unfalltod des Astronauten John Glenn als kubanische Sabotage darstellen
  • Inszenierung einer Terroraktion mittels des tatsächlichen oder simulierten Versenkens kubanischer Flüchtlinge

und vieles mehr.

Machen False Flags immer noch Geschichte? Vorgeschobener Vorwand als politischer Stil
Northwoods Memorandum

John F. Jennedy machte von diesen Plänen keinen Gebrauch. Aber die Ideen waren da und die Welt durfte seither immer wieder aufs Neue Aktionen erleben, die zweifelsfrei von diesen inspiriert waren.

Es gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen, wie die US-Armee durch Grusel-Geschichten über den angeblichen Tod der 300 kuwaitischen Säuglinge während der irakischen Besetzung des Scheichtums ihren eigenen Einmarsch in Kuwait und im Irak legitimierte.

Diese Geschichte, bekannt als Brutkasten-Lüge, war durch eine Public-Relations-Firma namens Hill & Knowlton konstruiert und einem 15-jährigen Mädchen namens Nayirah, angeblich eine kuwaitische Krankenpflegehilfin, vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses am 19. Oktober 1990 in den Mund gelegt worden.

Als Augenzeugin habe sie, so sagte sie damals, im al-Adan-Hospital in Kuwait City selbst beobachtet, wie irakische Soldaten 15 Babies aus Brutkästen nahmen und “auf dem Steinboden sterben ließen”. Schnell stellte sich heraus, dass das Mädchen Tochter eines saudischen Diplomaten war und die Story frei erfunden war. Der erste Golfkrieg der Amerikaner 1991 war zu diesem Zeitpunkt aber bereits zu Ende.

Im Medienzeitalter liefert eine hysterische Berichterstattung über die vermeintliche Bösartigkeit irgendeiner Staatsführung oder Konfliktpartei mittlerweile fast jedem Krieg der Westmächte einen Vorwand.

Ohne das angebliche Massaker von Račak in Februar 1999 wäre die monatelange Bombardierung Jugoslawiens nicht möglich gewesen. Ohne das Reagenz-Glas von Colin Powell hätte es womöglich keinen Vorwand für den völkerrechtswidrigen und brutalen Krieg im Irak gegeben, der 2003 begann und bis jetzt andauert.

Doch trotz der vielen aufgeklärten False-Flag-Fälle und fachlicher Medienkritik, die die Mechanismen dahinter offenlegte, erwecken die Ereignisse der letzten Jahre in der Ukraine und in Syrien immer mehr den Eindruck, dass die Öffentlichkeit in ihrer Mehrheit immer wieder auf die Lügengeschichten reinfällt und es den Politikern nicht übelnimmt, auf deren Basis zu handeln.

So verdichten sich immer mehr die Hinweise darauf, dass das Maidan-Massaker im Februar 2014, das den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch zu Fall brachte, eine klassische False-Flag-Operation war. Auch die Beschuldigung-Orgie der westlichen Politiker nach dem Abschuss des malaysischen Flugzeuges MH 17 und die darauffolgende schlampige Aufklärung werfen viele Fragen auf.

Mit Blick auf Syrien, wo es nachweislich bereits einen vorgetäuschten chemischen Angriff vonseiten der so genannten Rebellen im Jahr 2013 gab, halten immer wieder in- und ausländische Feinde des syrischen Präsidenten Assads an der Geschichte fest, wonach dieser warum auch immer die eigene Bevölkerung mit verbotenen Chemiewaffen quält.

Das Gebot der Vernunft zu beherzigen, bei jedem umstrittenen Vorfall genau zu schauen, wer am lautesten auf den Schuldigen zeigt, und eine umfassende Aufklärung abzuwarten, scheint für viele nach wie vor zu schwierig zu sein.

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