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Whistleblower packt aus: So bewaffnete und unterstützte die Türkei den Islamischen Staat

Whistleblower packt aus: So bewaffnete und unterstützte die Türkei den Islamischen Staat
Staatschef oder Terrorist? Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat viele Rollen

Ein früherer hochrangiger Anti-Terror-Beamter in der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdoğans vorsätzliche Unterstützung des Islamischen Staates als geopolitisches Werkzeug zur Ausweitung des türkischen Einflusses in der Region und zur Marginalisierung seiner einheimischen politischen Gegner enthüllt.

von Nafeez Ahmed

Ahmet Sait Yayla war Chef der Abteilung für Antiterrorismus und operative Maßnahmen der nationalen türkischen Polizei in der Zeit von 2010 bis 2012, bevor er bis 2014 Chef der Abteilung für Öffentliche Ordnung und Verbrechensvorbeugung wurde. Zuvor hatte er in der Abteilung für Antiterrorismus und operative Maßnahmen als Abteilungsleiter auf mittlerer Ebene während seiner gesamten 20jährigen Polizeidienstzeit gearbeitet, bevor er Chef der Polizei in Ankara und Şanlıurfa wurde.

In Interviews mit INSURGE intelligence enthüllte er exklusiv, dass er persönlich eine augenscheinlich auf hoher Ebene des türkischen Staates stattfindende Unterstützung des IS während seiner Polizeilaufbahn beobachten konnte, was ihn schließlich zum Rücktritt veranlasste. Den Beschluss, Whistleblower zu werden, fällte er nach Erdoğans autoritärem und scharfen Vorgehen in der Folge des gescheiterten Militärputschs im Juli 2016. Dies ist das erste Mal, dass der frühere Antiterror-Chef offenlegt, was er über die Hilfe der türkischen Regierung für islamistische Terrorgruppen weiß.

Whistleblower packt aus: So bewaffnete und unterstützte die Türkei den Islamischen Staat
Ahmet Sait Yayla

Der frühere Antiterrorismus-Chef der türkischen nationalen Polizei äußert sich mit einem beträchtlichen Risiko für seine eigene Familie. Als Teil von Erdoğans scharfem Vorgehen nach dem gescheiterten Militärputsch im Juli wurde Yaylas 19 Jahre alter Sohn daran gehindert, das Land zu verlassen, und schließlich unter Terrorismusvorwürfen verhaftet.

Als ich das erste Mal mit Yayla sprach, hatte er gerade sein neues Buch IS-Abtrünnige: Inside-Geschichten aus dem terroristischen Kalifat in Washington DC herausgegeben, das er zusammen mit der Professorin Anne Speckhard verfasst hatte, einer NATO- und Pentagon-Beraterin, die sich auf die Psychologie der Radikalisierung spezialisiert.

„Die Türkei unterstützt den Islamischen Staat und andere dschihadistische Gruppen“, sagte Yayla. „In erster Linie weiß ich das als früherer Chef der türkischen nationalen Polizei und dem, was ich dort erlebte, was auch der Grund dafür ist, dass ich die Polizei letztendlich verließ. Und zweitens dank früherer IS-Terroristen, die ich als Teil meiner Nachforschungen zum dschihadistischen Phänomen befragt habe – von denen viele sagen, dass der IS sich offizieller türkischer Unterstützung erfreut.“

Fadenkreuz von Erdog`´ans Gegen-Putsch

Yayla ist der erste türkische Antiterrorbeamte, der beansprucht, Wissen aus erster Hand über Erdoğans geheime Unterstützung für islamistische Terrorgruppen zu haben. Er besitzt intime Kenntnisse über die Beziehung der Regierung mit dem IS, weil er eng mit hochrangigen Regierungsbeamten in Ankara – einschließlich Erdoğan selbst – zusammengearbeitet hat, um Maßnahmen zu erörtern.

Nach meinem ersten Interview mit Yayla hatte ich zahllose weitere Fragen hinsichtlich seiner spezifischen Erfahrungen mit der Unterstützung des IS durch die Türkei. Aber ich hatte Schwierigkeiten, ihn zu erreichen. Schließlich erhielt ich am 30. Juli eine Email, die den Grund für das Schweigen verdeutlichte. „Es tut mir leid, dass ich nicht wieder auf Sie zukommen konnte“, schrieb Yayla: „Ich habe versucht, meinen Sohn aus der Türkei herauszubekommen, und er wurde an der Grenze ohne jede Begründung festgehalten. Er ist ein Universitätsstudent, ein 19 Jahre alter Junge. Sie erklären nichts und halten ihn einfach bei der Grenzpolizei fest. Natürlich bin ich der Grund dafür, was ich schreibe und meine Haltung gegenüber Erdoğan. Wir sind so gestresst, weil er verhaftet wurde. Wie Sie wissen, sind Folter und andere Gräueltaten, an die ich lieber nicht denken möchte, in den letzten zwei Wochen alltäglich geworden in der Türkei. Lassen Sie mich diese entscheidende Situation erst mal bewältigen und später mit Ihnen sprechen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

Yaylas Sohn ist Yavuz Yayla, ein Student der Internationalen Beziehungen an der Çukurova-Universität. Ich konnte mir nicht vorstellen, was Yayla durchmachen musste. Dann eskalierte die Lage innerhalb von Tagen: „Unglücklicherweise haben sie meinen Sohn festgenommen“, schrieb Yayla in eine weitere E-Mail. Die Anschuldigung lautet, er habe eine Ein-Dollar-Note in seinem Rucksack, ein Indiz, dessentwegen er beschuldigt wird, unter den Putsch-Unterstützern zu sein. Er ist 19, Student im ersten Universitätsjahr, hat nichts zu tun mit irgendwem oder irgendeinem Putschisten, vielmehr geht es darum, sich an mir zu rächen, weil ich die Fakten herausschreie und Erdoğan das nicht mag.“

Trotz seiner eigenen Kenntnis der Korruption im türkischen nationalen Sicherheitssystem wurde Yayla von der Entwicklung überrascht:„Ich habe nie gedacht, dass sie so tief sinken würden. Du kannst wirklich nichts machen. Wörtlich unterbreitete der Staatsanwalt in der Anklageschrift zwei Beweismittel, dass er ein Terrorist sei: dass er versucht habe, das Land auf legalem Wege über einen Grenzübergang zu verlassen, wo er infolge der Tatsache aufgehalten wurde, dass er einen Beamtenpass hatte (einen grünen Pass, mit dem er lediglich ohne Visum in die EU reisen kann, und den ich von der Universität erhalten habe), und dass er eine Ein-Dollar-Note in seinem Rucksack hatte, die er Jahre zuvor von mir bekommen hatte, als ich von einer Konferenz in den USA zurückkam. Wir sind an einem Punkt, dass Worte die Frustration nicht beschreiben können, die wir persönlich oder als Opfer dieses Putschversuchs haben.“

Zum ersten Mal länger sprach ich mit Yayla am 4. August per Telefon. Seine Stimme wirkte spürbar bedrückt, verglichen mit unserem ersten Gespräch. Das Erste, was er mir erzählte, war, dass er nicht aufhören konnte zu weinen infolge seiner Angst, was seinem Sohn zustoßen würde.

Die Situation war unlösbar. Um seinen Sohn freizubekommen, musste Yayla einen guten und mutigen Rechtsanwalt finden. Aber Rechtsanwälte unterlagen schon den politischen Säuberungen durch Erdoğan – vor allem Rechtsanwälte, die sich bereiterklärten, Fälle von Menschen zu übernehmen, die von den Behörden wegen angeblicher Verbindungen zum Putsch verhaftet worden waren. „Deshalb kann ich keinen Rechtsanwalt finden“, sagte Yayla. „Die Rechtsanwälte haben Angst. Alles, was sie sagen, ist: ‚Auch wir haben Familien, sie werden auch uns verhaften‘.“

Gruppen von Antiterrorbeamten waren zum Haus von Yaylas Vater in Ankara geschickt worden. Sie hatten das Haus durchsucht und wiederholt Fragen zu Yayla selbst gestellt. Seitdem bleibt Yavuz Yayla unter Terrorismusvorwürfen in unbegrenzter Haft, und Beschwerdeverfahren blieben erfolglos. Für Yayla liegt das wirkliche Ziel dieser Handlungen auf der Hand.

„Sie wollen mich zum Schweigen bringen“ sagte er in Hinblick auf die Erdoğan-Regierung: „Ich kenne verschiedene interne Übereinkommen. Wie sie dem IS direkt geholfen haben.“

In den zwei Monaten während der Haft seines Sohnes konnte Yayla nicht mit seinem Sohn telefonieren, obwohl Gefängnisinsassen das Recht auf ein zehnminütiges Telefongespräch pro Woche haben. Anfang September entließen die türkischen Behörden Yavuz vorübergehend mit seiner gesamten persönlichen Habe, nur um ihn am Gefängnistor gleich wieder zu verhaften. Dieses Mal wurde er mit der Begründung, dass sein Pass von der Regierung annulliert worden war, wiederverhaftet. Der Rechtsanwalt, den Ahmet schließlich für seinen Sohn gefunden hatte, gab sein Mandat aufgrund des Drucks seitens des türkischen Geheimdienstes zurück.

In Wirklichkeit war die Annullierung von Yavuz‘ Pass auf seinen Vater gemünzt. Die türkischen Behörden hatten die Pässe von Ahmet Yayla und seinen Familienangehörigen im Juli 2016 annulliert, nachdem Yayla im World Policy Journal einen Artikel geschrieben hatte, der Beweise für Erdoğans Unterstützung des Terrorismus hervorhob. Aber dieser Artikel streifte kaum die Oberfläche dessen, was Ahmet Yayla aus erster Hand über die inzestuöse Beziehung der türkischen Regierung mit dem IS weiß.

Humanitärer Terror

Yayla sagte, dass umstrittene Anschuldigungen in der türkischen Presse bezüglich der Unterstützung militanter Gruppen in Syrien über eine Nichtregierungs-Wohltätigkeitsorganisation, die Humanitarian Relief Foundation , ganz genaue Widerspiegelungen einer finsteren Beziehung zwischen der türkischen Regierung und dschihadistischen Gruppen darstellen.

Am 3. Januar 2014 berichtete die in der politischen Mitte angesiedelte Tageszeitung Hurriyet, dass eine bedeutende Menge Munition und Waffen von der türkischen Polizei in Lastwagen gefunden wurde, welche Hilfsgüter im Namen der IHH zu islamistischen Rebellen in Syrien transportierten.

Bald wurden aufgrund von Äußerungen der Anklagevertretung und von Zeugenaussagen der Polizeibeamten in Gerichtsverfahren Anschuldigungen bekannt, dass die Lastwagen von Beamten des nationalen türkischen Geheimdienstes (MIT) begleitet worden seien.

Diese Einlassungen bezeugten laut Gerichtsdokumenten, dass Raketenteile, Munition und Mörsergranaten in Lastwagen gefunden wurden, welche Nachschub in unter der Kontrolle von dschihadistischen Gruppen stehende Gebiete Syriens Ende 2013 und Anfang 2014 lieferten.

Erdoğans Regierung hinderte jedoch sämtliche türkischen Medien an weiteren Berichterstattungen über die Gerichtsverfahren. Die Anschuldigungen, behauptete die Regierung, seien Teil einer Verschwörung zur Unterminierung von Erdoğans Präsidentschaft – organisiert vom exilierten muslimischen Geistlichen Fethullah Gülen, der in den USA lebt.

Laut Ahmet Yayla sind die Anschuldigungen gegen Erdoğan und die IHH jedoch zutreffend und haben nichts mit einer gülenistischen Verschwörung zu tun. „Ich war indirekt schon zu einem frühen Zeitpunkt in die Anti-Terror-Ermittlungen gegen die IHH eingebunden“, sagte Yayla. „Der Führer der IHH wurde im Ergebnis dieser Ermittlungen in dieser Zeit verhaftet, infolge der Beweismittel, die wir erhalten hatten, dass die Gruppe hinter vielem an Unterstützung für den IS steht. Die IHH hat Waffen und Munition an viele dschihadistische Gruppen geliefert, nicht nur an den IS“.

Yayla merkt an, dass die Gaza-Flottille von 2010, wo ein von der IHH betriebenes Schiff von den israelischen Streitkräften daran gehindert wurde, humanitäre Hilfsgüter nach Gaza zu bringen, mit Erdoğans Zustimmung aufgestellt wurde:

„Erdoğan wollte die Menschen glauben machen, er unterstütze Jerusalem und Palästina durch das Erzwingen der Fahrt dieses Schiffes nach Gaza. Er erwartete, ein Held zu werden. Stattdessen wurden Menschen getötet. Aber Erdoğan nutzte den Vorfall, um Menschen in der Türkei um ihn selbst herum zu radikalisieren.“

Schon vor dem Flottillen-Zwischenfall war die IHH zum Hauptpartner der Turkish International Cooperation Agency (TIKA ) – der offiziellen Hilfsagentur der türkischen Regierung – geworden, um humanitäre Hilfe auf der ganzen Welt zu verteilen. „Jedoch waren es nicht nur humanitäre Güter, die die IHH verteilte. Unter den Gütern waren Waffen“, sagte Yayla.

Militante Wurzeln

Hauptförderer des IS in der türkischen Regierung war Hakan Fidan, der der TIKA von 2003 bis 2007 vorstand. Früher Offizier beim türkischen Militär, wurde er 2007 Unterstaatssekretär beim Premierminister. Seit 2010 war er der Chef des staatlichen türkischen Geheimdienstes MIT.

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Hakan Fidan, Chef des nationalen Geheimdienstes der Türkei

Aber laut Ahmet Yayla war er ein Hauptverdächtiger in einer Reihe von terroristischen Angriffen in den 1990er Jahren – während Yayla als Polizeibeamter in Ankara arbeitete. Die Angriffe beinhalteten gezielte Ermordungen linker türkischer Intellektueller mit Verbindungen zur Zeitung Cumhuriyet mit Hilfe von Auto- und Paketbomben. Unter den Opfern befand sich der Journalist Ugur Mumtu, die Frauenrechtsaktivistin Bahriye Üçok und der Intellektuelle Ahmet Taner Kışlalı.

Polizeioperationen verorteten die Ausführenden dieser Angriffe in einer von der Türkischen Hisbollah (EH) betriebenen Terrorzelle. Zwei jetzt Erdoğan nahestehende Schlüsselfiguren wurden von der Polizei als Mitglieder der Zelle identifiziert: Hakan Fidan und Faruk Koca, ein Gründungsmitglied der regierenden AKP.

Die Türkische Hisbollah ist eine sunnitische islamistische Terrororganisation, welche in den 1980er Jahren auftauchte und ursprünglich von einer kurdischen Gruppe gebildet wurde. Sie ist besonders gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (die PKK) aktiv und unterstützt offen Gewalt als Mittel zur Errichtung eines Islamischen Staates in der Türkei.

Die Gruppe hat keine Verbindung mit der libanesischen Gruppe gleichen Namens. Aber laut Yayla brachten türkische Polizeioperationen zum Vorschein, dass die TH Verbindungen zu ranghohen Elementen des türkischen Sicherheitsapparats hatte, sowie starke Beziehungen zu nachrevolutionären iranischen Geheimdienstmitarbeitern.

Eine im Jahr 2000 veröffentlichte Hintergrundanalyse von Human Rights Watch belegte ein alarmierende Verbindungssystem zwischen türkischen Sicherheitskräften und der TH, einschließlich Zeugenaussagen hochrangiger türkischer Regierungsbeamter – wie z.B. dem Kabinettsminister Fikri Sağlar, der versicherte, dass die Turkish Hisbollah von Anfang an von den „Streitkräften“ kontrolliert wurde und „auf Grundlage eines Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrats von 1985 erweitert und verstärkt wurde“.

Im April 1995 kam ein offizieller türkischer parlamentarischer Bericht zu dem Schluss, dass türkische „Militäreinheiten“ einem geheimen Camp der Turkish Hizbullah „in der Gegend der Dörfer Seku, Gönüllü und Çiçekli im Distrikt Gercüş von Batman“ „Unterstützung“ leisteten. TH wurde danach vom Außenministerium als Terrororganisation eingestuft.

Während des letzten Jahrzehnts hat sich TH auf politische Aktivitäten konzentriert, ohne jedoch auf sein Bekenntnis zur Gewalt zu verzichten. Und sein gewalttätiges Erbe lebt weiter fort. Es gibt eine direkte Abstammungslinie zwischen TH, Al Kaida und IS. Halis Bayancuk, dessen Kriegsname Abu Hanzala lautet, ist der Emir des IS in der Türkei. Schon früher identifizierte die vom Staat betriebene nationale öffentliche Rundfunkanstalt TRT Bayancuk als Kopf von Al Kaidas Türkei-Arm. Aber Bayancuk ist auch der der Sohn von Hacı Bayancuk, einem der Gründungsmitglieder der TH.

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Halis Bayancuk (rechts), der Emir des IS in der Türkei und Sohn von Haci Bayancuk, einem Gründungsmitglied der Türkischen Hisbollah, hier aufgenommen während einer Verhaftung durch die türkische Polizei. Ihm wurden keine Handschellen angelegt. Ahmet Yayla erklärt, dass unter Erdoğan IS-Aktivisten eine derartige Handlungsfreiheit genießen, dass sie niemals in Handschellen gelegt werden, falls sie verhaftet werden.

Polizeioperationen 2007 in Bingöl und Kocaeli und 2008 in Istanbul, Ankara und Diyarbakir enthüllten die Zusammenarbeit zwischen Führern der TH und Al Kaida auf hoher Ebene. Es wurde herausgefunden, dass ein Al Kaida-Netzwerk in der Türkei, das von Muhammed Yasar geführt wurde, im Namen von TH betrieben wurde. Emrullah Uslu, ein früherer Zielfahnder in der Anti-Terrorismus-Einheit der nationalen türkischen Polizei, erklärt, dass die meisten Mitglieder des Al Kaida-Netzwerks in der Türkei mit der TH „Kontakt hatten“.

Eine Splittergruppe der TH, die neue salafistische Dschihadisten in ihre Reihen aufgenommen hat, befindet sich heutzutage jetzt „im Kampf an der Seite von IS und anderen extremistischen Gruppen in Syrien „, berichtet der türkische Journalist Sibel Hürtas. „Hunderte Seiten an Dokumentation über die Turkish Hizbullah wurden bei den Polizeirazzien in Ankara entdeckt, die in dieser Zeit stattfanden“, sagte Yayla in Hinblick auf die Welle von Morden in den 1990ern:

„Die Dokumente bewiesen direkte Verbindungen zwischen dem iranischen Geheimdienst und zwei Figuren, die jetzt Erdoğan extrem nahe stehen: Hakan Fidan und Faruk Koca. Und sie zeigten, dass sowohl Fidan als auch Koca Teil der Terrorzelle der Türkischen Hisbollah waren, die hinter diesen Bombenanschlägen stand“.

Infolge der Polizeiermittlungen floh Fidan aus der Türkei nach Deutschland und begab sich dann in die USA, wo er weiterhin im Exil lebte. Als jedoch die AKP unter Erdoğan die Macht übernahm, kehrte Fidan in die Türkei zurück und nahm seine Rolle als Chef der türkischen Hilfsorganisation wieder auf, wobei sein Status als ‚Gesuchter‘ unerklärlicherweise verschwand.

Der IS: Bastard-Laich des türkischen Tiefen Staates

Dank ihres humanitären Anstrichs lieferte die IHH, jetzt in Partnerschaft mit der türkischen Regierung unter Fidans Führung des TIKA, den „perfekten Deckmantel“ für Erdoğan, seine verdeckte Syrien-Strategie auszuweiten. Die geheime Strategie ging weiter, als Fidan als nächstes Chef des staatlichen türkischen Geheimdienstes wurde.

Wenn Yaylas Behauptungen korrekt sind, ist demnach der derzeitige Chef des mächtigen MIT unter Erdoğan ein Mitglied der mit Al Kaida verbundenen Türkischen Hisbollah, die für terroristische Morde an linken Dissidenten in den 1990er Jahren verantwortlich ist. Ab etwa 2012, erläuterte Yayla, wurden mehrere Hundert Lastwagen mit Nachschubgütern von der IHH nach Syrien geschickt.

Beim Beschreiben mehrerer aktiver Polizeioperationen gegen die IHH, die den Verbindungen der Organisation mit Al Kaida geschuldet waren, bekräftigte Yayla, dass eine größere Operation, die Anti-Terror-Razzien in Gaziantep, Van, Kilis, Istanbul, Adana und Kayseri einschloss, die enge Zusammenarbeit der IHH mit hochrangigen Al Kaida- und IS-Kadern bei Waffenlieferungen an dschihadistische Gruppen über die Grenze hinweg aufdeckte.

Während Erdoğan und seine Minister die Polizeiaktion verurteilten, versicherte Yayla, der als Chef der Polizei von Ankara Erdoğan informiert hatte, dass die Operation die Folge einer fortlaufenden Polizeiermittlung zur dschihadistischen Unterstützung innerhalb der Türkei darstellte – und nicht eine gülenistische Verschwörung.

Aber die IHH war nur ein Kanal für diese Aktionen zur Unterstützung syrischer Dschihadisten. „Der Rest der Operationen wurde direkt vom MIT ausgeführt“, sagte Yayla. „Der MIT transportierte ganz offen Waffen und Sprengstoff nach Syrien, mit Lastwagen ebenso wie mit aktiven Kämpfern, die mit Bussen befördert wurden, und zwar mehrere Male. Einige von ihnen wurden von der türkischen Polizei gefasst.“ Tausende ausländische Kämpfer waren in den letzten paar Jahren in die Türkei geströmt, um sich Gruppen anzuschließen, die das Regime von Baschar al-Assad in Syrien bekämpfen.

Zum ersten Mal liefern Ahmet Yaylas Interviews mit INSURGE intelligence eine direkte Insider-Bestätigung nicht nur dahingehend, dass Erdoğans Regierung hinsichtlich der Bewegung dieser Kämpfer über die Grenze nach Syrien hinein weggeschaut hat – sondern dass die türkische Polizei die Rolle des staatlichen Geheimdienstes der Türkei beim Schleusen der ausländischen Kämpfer entdeckt hatte, welches direkte Hilfe für den IS einschloss:

„Der MIT transportierte IS-Terroristen von Hatay nach Şanlıurfa in Bussen in den Jahren 2014 und 2015. Manchmal ließ man sie an der Grenze aussteigen, zu anderen Zeiten wurden sie über die Grenze transportiert. Wenn die Terroristen in die Türkei zurückkehren wollten, wurden sie oft für Routine-Drogenkontrollen angehalten. In den Bussen fanden türkische Grenzschützer Kalaschnikows und Munition. Die Businsassen wurden verhaftet und verhört, und die Fahrer gaben offen zu, dass der MIT sie angeheuert hatte, um solche Terroristen und ausländischen Kämpfer zu transportieren.“

Yayla war nicht direkt in diese Operationen verwickelt, wurde aber ihrer erdrückend belastenden Untersuchungsergebnisse während seiner leitenden Polizeitätigkeit gewahr, da er unbegrenzten Zugang zu den entsprechenden Protokollen hatte.

Bomben zu Wohltätigkeitszwecken

Die IHH wurde seit langem von westlichen Geheimdiensten terroristischer Verbindungen verdächtigt. Ein von Wikileaks erlangtes vertrauliches Fax der US-Botschaft in Istanbul ans Außenministerium, datiert auf den 21. Juli 2006, bestätigt, dass die IHH „einiger Finanzierungen des internationalen Terrorismus verdächtig“ ist. „…1997 wurden örtliche Funktionäre im Istanbuler Hauptquartier der IHH festgenommen, nachdem eine Razzia durch Sicherheitskräfte Feuerwaffen, Sprengstoff und Anleitungen zum Bombenbau entdeckt hatte.“

Das Fax beschreibt eine Trauerfeier anlässlich des Todes des mit Al Kaida verbündeten tschetschenischen Militärkommandanten Schamil Basajew, die von der IHH mitorganisiert wurde und an der der Präsident der IHH, Bülent Yıldırım, persönlich teilnahm. Basajew wurde 2003 vom Außenministerium wegen seiner nicht verhehlten Verwicklung in verschiedene Massaker an zivilen Geiseln und in Selbstmordattentate ebenso wie seiner „Verbindungen mit Al Kaida“ als terroristische Person eingestuft.

In diesem Zusammenhang ist der Rest des Faxes erwähnenswert: „Die Trauergäste fuhren fort, arabische Parolen zu singen, durchsetzt mit den folgenden Rufen auf Türkisch: ‚Russische Mörder – Raus aus Tschetschenien‘, ‚Israelische Mörder – Raus aus Palästina‘, ‚Amerikanische Mörder – Raus aus dem Nahen Osten‘, ‚Schamil Basajew – Dein Weg ist unser Weg‘ und ‚Hamas – Leiste weiter Widerstand‘. Möglicherweise mit Bezug auf die bevorstehende Wahlkampfperiode hatte Yıldırım auch eine Botschaft für die türkische Regierung: ‚Unterstützt diese Ungläubigen nicht – wenn ihr keine krummen Dinge macht, sind wir bereit, euch zu folgen‘. Mitten in der Zeremonie verbrannten die Teilnehmer eine Fahne – die wir nicht sehen konnten – zum großen Vergnügen der Menge. Was Basajew anbetrifft, lobte Yıldırım die Tatsache, dass er keine Kompromisse einging, und behauptete, dass er nach Unabhängigkeit gestrebt habe und für Gott und die Sache gestorben sei.“

Yayla bekräftigte, dass die Polizeirazzia von 1997 direkte Verbindungen zwischen der Wohltätigkeitsorganisation und Al Kaida herausgefunden hatte. Mitarbeiter der IHH, sagte er, wurden für Kampfeinsätze in Tschetschenien, Bosnien und Afghanistan vorbereitet. Dokumente, die während der Razzia gefunden wurden, legten offen, dass heimlich Waffen an Gruppen geliefert wurden, die mit Osama Bin Laden verbunden waren. IS-Unterstützer transportieren auch regelmäßig straflos Teile für die Herstellung provisorischer Sprengsätze über die türkisch-syrische Grenze.

Fotos, die INSURGE von Yayla exklusiv zur Verfügung gestellt wurden, und die er direkt von früheren IS-Mitgliedern erhalten hat, zeigen IS-Angehörige beim Hantieren mit sogenannten „Höllenfeuerbomben“, die aus Flüssiggasflaschen hergestellt werden, und deren Teile in Konya, einer innertürkischen Stadt, hergestellt werden, in der Hunderte von IS-Unterstützern leben. „Das frühere IS-Mitglied sagte, dass diese Materialien aus Quellen stammen, die von türkischen Sicherheitskräften geschützt werden“, sagte Yayla.

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Yaylas Aussteiger-Quelle bestätigte, dass die Teile mit Lastwagen über die Grenze nach Syrien gebracht werden, um dort Bomben daraus zu bauen. Die Lastwagen passieren den türkischen Zoll üblicherweise ohne Probleme. „Sie töteten Hunderte Zivilisten und Kinder“, sagte Yayla.

„Sie sind sehr wirkungsvoll. Der Überläufer erklärte, dass sie mindestens zehnmal stärker und tödlicher sind als normale Minenwerfer. Alle Bestandteile dieser Bomben wurden aus der Türkei nach Syrien gebracht, und sie wurden aus der Türkei bezogen.“

Der Polizeichef ordnete den Schutz von IS an

Aber es ist Ahmet Yaylas persönliche Erfahrung mit der offiziellen türkischen Unterstützung des IS, die vielleicht von allem am erdrückendsten ist. „Ich habe mehrere Male mit eigenen Augen und Ohren beobachten können, wie der Gouverneur von Şanlıurfa (einer Stadt nahe der türkisch-syrischen Grenze) zu Führern terroristischer Gruppen in Syrien sprach“, sagte Yayla.

Bei mehreren hochrangigen Sicherheitstreffen unter Beteiligung der Polizeichefs mussten Yayla und seine Kollegen warten, bis der Gouverneur seine Telefongespräche mit Rebellenführern beendete. „Es war wirklich schockierend“, erinnerte sich Yayla. „Er sprach wiederholt offen über die Lage in Syrien, und fragte am Telefon immer wieder, wie er beim Beschaffen von was immer sie brauchten helfen könne, Lebensmittel oder Medizin, im wahrsten Sinne was immer sie brauchten“.

Die Dinge spitzten sich zu, als der Gouverneur – der ein vom Innenministerium ernannter politischer Beamter ist – zu verlangen begann, dass Yayla den Schutz Hunderter von IS-Kämpfern organisieren sollte, die in die Türkei gebracht wurden, um dort medizinisch behandelt zu werden.

„Ich bin der Polizeichef, der vom Gouverneur beauftragt wurde, IS-Terroristen zu schützen. Und ich beauftragte Polizeibeamte mit dieser Maßnahme“, sagte Yayla. „Die offiziellen Polizeiakten zu diesem Vorgehen sind noch vorhanden und können in den Zuordnungsprogrammen angesehen werden. Diese Aufzeichnungen können nicht zerstört werden.“

„Ich war der Beamte, der mit dem Polizeischutz für diese Terroristen beauftragt wurde“, wiederholte er, wobei die Fassungslosigkeit in seinem Tonfall spürbar wurde. Die Kämpfe nahe der türkischen Grenze waren von 2013 an so intensiv geworden, dass Hunderte von dschihadistischen Rebellen verwundet worden waren:

IS-Kämpfer wurden über die Grenze nach Şanlıurfa gebracht, um in türkischen Krankenhäusern behandelt zu werden. Als Polizeichef wurde ich vom Gouverneur aufgefordert, meine Beamten zu entsenden, um einen Rund-um-die-Uhr-Schutz für diese verwundeten Terroristen zur Verfügung zu stellen. Ich kam bis zu einem Punkt, dass es so viele IS-Mitglieder gab, die behandelt wurden, dass ich nicht genügend Beamte finden konnte, um diese Terroristen zu schützen. Wir litten an einem schwerwiegenden Arbeitskräftemangel infolge dieser Anforderungen. Als dieser Zustand erreicht war, hatte ich keine andere Wahl, als dem Gouverneur mitzuteilen, wissen Sie, dass ich mich darum wirklich nicht mehr kümmern werde, und ich sagte ihm: sehen Sie, ich habe nicht die Arbeitskräfte, die Stadt leidet – ich kann meine Arbeit nicht mehr erledigen“. Der Gouverneur war aufgebracht, sagte Yayla, aber infolge der reinen Menge an IS-Kämpfern, die in die Türkei zur medizinischen Behandlung kamen, konnte seinen Forderungen nicht entsprochen werden.

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Fadhul Ahmed al-Hayali, der früheren Nummer 2 des IS, wurde von den türkischen Behörden heimlich medizinische Behandlung gewährt.

„Es war so irrsinnig, man konnte Krankenwagen mit europäischen Kennzeichen ankommen sehen, die IS-Mitglieder transportierten“, sagte Yayla. „Tatsächlich wurde der Stellvertreter Al Baghdadis , Fadhil Ahmad al Hayali, durch ein amerikanisches Bombardement verwundet. Er verlor sein Bein und wurde in eines der Krankenhäuser gebracht und behandelt. Anschließend kehrte er nach Syrien zurück. Niemand verlangte irgendeine Bezahlung für die Behandlung. Sie war völlig kostenlos.“

Der Grundsatz kostenlosen medizinischen Beistands für IS-Kämpfer galt zwei Jahre lang bis 2015. Druck von Präsident Obama, die Grenzen zu schließen, brachte Erdoğan dazu, diese Vorgehensweise herunterzufahren.

Hör auf, Terroristen zu bekämpfen

Yaylas offene Bedenken wegen der Beeinträchtigung der Polizeiarbeit brachte den Gouverneur schließlich dazu, ihn aus der Anti-Terror-Einheit rauszuwerfen. „Ich kämpfte so leidenschaftlich gegen den Terrorismus, dass ich ein System entwickelte, die Terroristen zu verfolgen, bevor sie eine Zelle gründen konnten“, erklärte Yayla.  „Wenn jemand in den Terrorismus verwickelt war, schickte ich Polizeibeamte, um einzugreifen, indem sie z.B. mit Familienmitgliedern sprachen, um eine weitere Radikalisierung zu verhindern. So begannen meine Beamten, bei IS-Mitgliedern einzuschreiten, sobald wir ihre Aktivitäten entdeckten.“

Aber der Gouverneur war damit nicht einverstanden. „Er mochte nicht, was ich tat, daher nahm er mich aus der Anti-Terror-Abteilung heraus. Aufgrund meiner hohen Position in der türkischen nationalen Polizei konnte er mich nicht feuern. Stattdessen machte er mich daher zum Leiter der Abteilung für Öffentliche Ordnung und Ermittlungen.“

Yayla blieb engagiert darin, seine Autorität zur Bekämpfung von Terroristen einzusetzen. Er beauftragte Beamte seiner Abteilung damit, Verfahren des Anhaltens und Festnehmens verdächtiger Terroristen, die sich im Umkreis der Stadt bewegten, durchzuführen und sie der Anti-Terror-Abteilung zu überstellen. Wie nicht anders zu erwarten, sagte er, „mochte der Gouverneur dieses Konzept auch nicht“. Tatsächlich klagte Yayla:

„Meistens wurde die Einsatzzentrale gedrängt, keine Anti-Terror-Kräfte zu entsenden, und nicht einmal per Funk Kontakt aufzunehmen, denn der Funkverkehr wurde aufgezeichnet. Stattdessen stellten die türkischen Anti-Terror-Beamten die Verbindung zu unseren Beamten über direkte Telefonleitungen her und sagten ihnen, sie hätten die Terroristen einfach freizulassen. ‚Warum haltet ihr sie fest? Lasst sie gehen‘ pflegten sie zu sagen.“

Yayla sagte, dass infolge dieses Vorgehens der IS in der Lage war, seine Präsenz in der Türkei in völliger Straflosigkeit aufzustocken:

„Grundsätzlich war es der Polizei nicht erlaubt, den IS in der Stadt anzuhalten.“

Unter Yaylas schockierendsten Anschuldigungen befindet sich die, dass die türkische Regierung direkt den Führer der türkischen Operationen, Halis Bayancuk, auch als Abu Hanzala bekannt, geschützt hat, der der Sohn eines der Gründerväter der türkischen Hisbollah ist.

„Meine Polizeiquellen versichern, dass Erdoğan 2015 Bayancuk einen Rund-um-die-Uhr- Polizeischutz zukommen ließ“, sagte Yayla. „Ich kommuniziere weiterhin mit anderen Polizeiquellen und Vorgesetzten. Sie beklagen sich regelmäßig, dass die höchsten türkischen Behörden mit dem IS zusammenarbeiten, und dass ihre Anstrengungen, IS-Mitglieder in der Türkei zu verhaften, von der Anti-Terror-Abteilung boykottiert werden.“

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Fotos von zwei IS-Mitgliedern, die von der türkischen Polizei in unterschiedlichen Aktionen verhaftet wurden (INSURGE von Yayla exklusiv zur Verfügung gestellt). Keinem der Verhafteten wurden Handschellen angelegt.

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Yayla beschreibt verschiedene Beispiele, bei denen seine eigenen Beamten als IS-Mitglieder Beschuldigte ohne irgendeine Unterstützung durch ihre Kollegen von der Anti-Terror-Abteilung verhörten: „IS-Mitglieder in der Türkei rasieren sich oft ihren Bart ab und schneiden ihre Haare, um sich optisch in die Gesellschaft einfügen zu können. Leitende Kriminalbeamte pflegten ihre Bewegungen von ihrer Ankunft in der Türkei bis zu ihren Aktivitäten in der Stadt zu verfolgen, wobei sie Beweismittel über sie sammelten und mit der Anti-Terror-Einheit teilten. Aber sie bekamen keine Unterstützung von der Anti-Terror-Abteilung. Stattdessen wurde ihnen gesagt: ‚Haltet sie nicht fest, das ist nicht eure Aufgabe.‘ Und um die Sache noch schlimmer zu machen, stellte die Polizei dann Nachforschungen gegen ebendiese Beamten an, weil sie Terroristen ausforschten.“

Yayla sagte, dass der gescheiterte Putsch Erdoğan die perfekte Gelegenheit gegeben hat, Beamte, die sich zu diesem Vorgehen kritisch verhalten, herauszuwerfen, unter dem Vorwand, eine Gülenistische Verschwörung zu planen: „Viele dieser Beamten können sich nicht äußern – wenn sie etwas sagen, werden sie verhaftet.“

Logistisch ein sicherer Hafen – Blut für Öl

Die Türkei, ein Schlüsselmitglied der NATO und bedeutender Verbündeter des Westens im Kampf gegen den IS, ist jetzt ein offener sicherer Hafen für Dschihadisten geworden: „Der IS hat eine ausgedehnte logistische Unterstützungsbasis in Gaziantep. Beispielsweise werden alle seine Uniformen in Gaziantep hergestellt, vielleicht über 60 000 davon in den letzten beiden Jahren.“

Das ist nicht wirklich überraschend angesichts der Tatsache, dass Gaziantep zuvor die Hauptbasis der logistischen Unterstützung für die TH war, und später für Al Kaida in der Türkei. „Es gibt domartige Gebäude in Gaziantep, in denen Dschihadisten leben – sowohl IS als auch Jabhat al-Nusra (ein früherer Al Kaida-Verbündeter, der in Jabhat Fateh al Sham umbenannt wurde),“ sagte Ahmet Yayla. “Das sind riesige Apartments voller Dschihadisten. Viele dieser Dschihadisten geben sich nicht mal Mühe, sich in die Gesellschaft einzufügen. Sie behalten ihr charakteristisches Erscheinungsbild bei, mit ihrem besonderen Kleidungsstil und langen Bärten. Und sie bewegen sich frei über die Grenze hin und her.“

Aber Yaylas erstaunliche Enthüllungen über die Unterstützung der türkischen Regierung für den IS endeten hier noch nicht. Er bezog sich auch auf Berichte aus erster Hand, die er aus Dutzenden von vertraulichen Interviews mit IS-Abtrünnigen erhalten hatte, welche sich in der Türkei versteckten. Einige dieser Berichte werden in Yaylas neuem Buch IS-Abtrünnige untersucht, das er mit seiner akademischen Kollegin Speckhard verfasst hat, ebenso wie in ihrer kürzlich veröffentlichten Abhandlung Terrorismusperspektiven.

Anschuldigungen, dass Erdoğans Sohn und Schwiegersohn unmittelbar in Ölschmuggeloperationen verwickelt waren, erschienen in der türkischen Presse, wurden aber heftig von der Regierung bestritten. Ungeachtet dieser Anschuldigungen bestätigten Yaylas eigene Quellen unter IS-Abtrünnigen die Rolle sowohl der Türkei als auch der Kurdischen Regionalregierung (KRG) im Nordirak beim Ermöglichen der Ölverkäufe des IS.

Ein Teil des Öls geht direkt in die Türkei, aber hauptsächlic

Das IS-Öl-Netzwerk umfasste eine Kombination konkurrierender Interessen – einschließlich derer von Baschar al-Assad, dem angeblichen Erzfeind des IS. „Wenn die Raffinerien Probleme hatten, fragte der IS Baschar an, welcher dann Öltechniker schickte, die dorthin fuhren und die Probleme aus der Welt schafften. IS-Kämpfer begleiteten und schützten Baschars Techniker, erlaubten ihnen, die Probleme zu lösen, und schickten sie dann wohlbehalten zu Baschar zurück.“

Bedeutete das, dass Baschar al-Assad wirklich den IS unterstützte, indem er dessen Öl kaufte? „Ja und nein“, sagte Yayla. „Baschar hatte keine direkte Kontrolle über den IS, aber er muss eine sichere Ölversorgung aufrechterhalten, und der IS muss seine Ölverkäufe weiterführen. Es ist eine Beziehung zum beiderseitigen Nutzen. Einige Abtrünnige sagten mir, dass sie darüber erbost waren. Die offizielle Rechtfertigung des IS lautet, dass sie auch dann mit anderen Staaten Handel treiben, wenn diese der Feind sind.“

Der IS machte mit dem Ölhandel insgesamt so viel Geld, dass sie aufhören mussten, das Geld zu zählen, und es stattdessen in Kilogramm zu wiegen begannen. Ein früherer IS-Emir erzählte Yayla:

„Ein Teil des Öls geht direkt in die Türkei, aber hauptsächlich geht es in den Nordirak und wird mit irakischem Öl vermischt.“

Wie Yayla sagte:

„Er (der IS-Abtrünnige) weiß, dass sowohl in der Türkei als auch in der KRG die IS- Tanklastwagen geschützt wurden, sie werden nicht angehalten, sie sind unantastbar. Nicht bloß ein Tanklastwagen – Tanklaster nach Tanklaster nach Tanklaster. Straßen wurden überall gesperrt, um den IS und andere terroristische Organisationen fernzuhalten. Ja, er und ein paar andere IS-Quellen sagten mir, dass diese Lastwagen und Tanklaster durch die Kontrollstellen ohne Probleme hindurchfahren konnten, ohne überhaupt zum Anhalten aufgefordert zu werden. Das beweist einfach, dass der IS die Anweisung hatte, sich nicht mit den türkischen Tanklastern anzulegen, und umgekehrt.“

Die türkische Regierung zeigte keinerlei Anzeichen, auch nur marginal an Ermittlungen zu diesen Sachverhalten interessiert zu sein. Mehrfache Anfragen wegen einer Stellungnahme hinsichtlich Yaylas Anschuldigungen wurden an die türkische Botschaft in London gesandt, auch bezüglich der Behandlung seines Sohnes. In keinem Fall gab es eine Antwort darauf.

Die Allianz der NATO mit dem Terror

Ich stellte Yayla die große Frage: Warum? Warum finanzierte die Türkei den IS, insbesondere, nachdem in den letzten Jahren die Terrorgruppe nicht davor zurückschreckte, Ziele innerhalb der Türkei anzugreifen? Yayla mutmaßt, dass politische Korruption auf den höchsten Ebenen von Erdoğans Regierung die nationale Sicherheit der türkischen Gesellschaft ausgehöhlt hat. „Ich denke, Erdoğan möchte einen neuen türkischen Staat etablieren – Salafismus, Shia und politischer Islam, alles miteinander verschmolzen“, sagte er.

„Lassen Sie sich nicht täuschen. Für Erdoğan ist der politische Islam bloß ein nützliches Werkzeug zur Konsolidierung seiner Anhängerschaft in der Türkei. Und er ist jetzt sein Hauptwerkzeug gegen die gesamte heimische Opposition gegenüber seiner Herrschaft – besonders gegen die Kurden, die eine wirksame Kampfmacht gegen den IS darstellen.“

Das Beunruhigendste an allem ist das ohrenbetäubende Schweigen der NATO. In Reaktion auf Anschuldigungen hinsichtlich der staatlichen Unterstützung des IS durch die Türkei zeigte sich ein NATO-Sprecher reuelos in Bezug auf die weiterbestehende Rolle der Türkei innerhalb der US-geführten Sicherheitsallianz.

In einer ausführlichen Stellungnahme sagte der NATO-Funktionär: „Die Türkei ist der NATO-Verbündete, der am unmittelbarsten der Gewalt und Instabilität in Syrien und im Irak ausgesetzt ist. Alle anderen Verbündeten helfen dabei, die Türkei mit einer Reihe von Maßnahmen zu schützen, einschließlich der Stationierung von Patriot-Raketenabwehrsystemen. Der Kampf gegen den ISIL fordert eine umfangreiche und anhaltende Anstrengung, einschließlich des Stopps der illegalen Finanzierung des ISIL und der Beendigung des Zustroms ausländischer Kämpfer. Alle NATO-Verbündeten leisten ihren Beitrag zur US-geführten Globalen Koalition zur Bekämpfung des ISIL. Die Türkei erbringt einen äußerst wichtigen Beitrag, einschließlich der Aufnahme verschiedener anderer NATO-Verbündeter auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik, und verstärkt die Sicherheit ihrer Grenze zu Syrien. Bei unserem letzten Gipfeltreffen in Warschau beschloss die NATO, dass unsere AWACS-Flugzeuge zur Luftbild- und Radarerfassung der Globalen Koalition beitragen werden. Wir kamen außerdem überein, unser Training irakischer Offiziere aufzustocken, auch innerhalb des Irak. Die türkische Regierung hat angeboten, den Trainingseinsatz auf Einrichtungen innerhalb der Türkei zu unterstützen.“

Die NATO hat anscheinend kein Interesse daran, die systematische Unterstützung des IS mitten aus dem Herzen des Bündnisses heraus zu untersuchen. Mittlerweile zahlt Ahmet Yayla einen hohen Preis für seine Aussagen. Nachdem sie seinen Sohn mit unbegründeten Terrorismusvorwürfen verhaftet hat, weitet die türkische Regierung ihre Kampagne gegen den früheren Anti-Terror-Chef jetzt aus, indem sie ihn öffentlich über staatlich kontrollierte Medien als Terroristen bezeichnet.

Am Mittwoch berichtete Yayla vor dem Unterausschuss des US-Kongresses für Europa, Eurasien und auftauchende Bedrohungen über zunehmende Anhaltspunkte dafür, dass der gescheiterte Putsch von Elementen aus Erdoğan eigener Regierung „inszeniert“ wurde. Am folgenden Tag beschuldigte die staatliche türkische Agentur Anadolu Yayla, ein „mutmaßliches Mitglied der Fethullah-Terrororganisation (FETO)“ zu sein, die angeblich von Fethullah Gülen angeführt wird.

Aber Yayla, der persönlich in seiner Rolle als Polizeichef Erdogan selbst informiert hatte, ist auch bei noch so viel Einbildungskraft kein Gülenist. „Erdogan würde jeden als Gülenisten bezeichnen, der gegen ihn ist“, sagte Yayla. „Ich bin kein Gülenist. Ich bin nur ein normal praktizierender Muslim.“ Yaylas wirkliches Verbrechen ist einfach seine Beharrlichkeit in der Bekämpfung des Terrorismus, unabhängig davon, wer dafür verantwortlich ist. Sein Mut kostet ihn allerdings seine Familie. Und da die NATO fortfährt, Erdoğans zunehmend drakonische Herrschaft zu schützen, quält sich der sogenannte ‚Krieg gegen den IS“ dahin, ohne dass ein Ende in Sicht wäre.

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