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Aufgedeckt: Mitarbeiter im Jobcenter kooperieren gesetzeswidrig mit dem Verfassungsschutz

Aufgedeckt: Mitarbeiter im Jobcenter kooperieren gesetzeswidrig mit dem Verfassungsschutz

Eine anonym zugeleitete – wohl interne – Email eines saarländischen Jobcenters belegt, dass Arbeitsagenturen gesetzeswidrige Kooperationen mit dem Verfassungsschutz vereinbart haben. Ein saarländisches Ministerium und die Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit bestätigen eine Kooperation eines Jobcenters im Regionalverband Saarbrücken mit dem Verfassungsschutz, nennen es aber lieber „Sensibilisierungsgespräche“, wenn Mitarbeiter aufgefordert werden, Arbeitssuchende völlig anonym beim Verfassungsschutz zu denunzieren.

Eine anonym zugeleitete – wohl interne – Email eines saarländischen Jobcenters belegt, dass Jobcenter möglicherweise gesetzeswidrige Kooperationen mit dem Verfassungsschutz vereinbart haben. Dem sind wir nachgegangen, indem wir zum einen mit Mitarbeitern der Behörde gesprochen und den Verfassungsschutz des Landes und des Bundes, die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit des Saarlandes und die Bundesarbeitsagentur um Stellungnahmen gebeten hatten.

Und offensichtlich in ein Wespennest gestochen, zumindest was bestimmte Erklärungsnotstände und die Intensität der Kommunikation mit den angeschriebenen Agenturen angeht. Der Verfassungsschutz selbst hat dazu bisher keine Stellungsnahme abgegeben. Sollte diese nachgereicht werden, werden wir gerne ein update vornehmen.

Jobcenter als Hilfsorgane des Verfassungsschutzes?

Die Email, die uns zugeleitet wurde, informiert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber, dass das Jobcenter „mit dem Landesamt für Verfassungsschutz (VS) Saarland eine Kooperation abgeschlossen“ hat. Im Rahmen dieser Kooperation interessiere sich der VS „für alle Hinweise aus den Bereichen Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus, Sabotageabwehr und organisierte Kriminalität“.

Aufgedeckt: Mitarbeiter im Jobcenter kooperieren gesetzeswidrig mit dem Verfassungsschutz

Die Leitung der oder des Jobcenter/s teilt ihren/seinen Mitarbeitern mit, dass es wichtig für den VS sei, beispielhaft «Erkenntnisse von Ihnen über unsere Kunden zu melden aus den „Tatbeständen Ortsabwesenheit von Flüchtlingen in ihre Herkunftsländer oder Krisengebiete, Auffälligkeiten dieser Personengruppe, Kenntnisse über Kunden, die der Reichsbürgerbewegung angehören und alle sonstigen Tatbestände die Ihnen „auffällig“ erscheinen …»

Die Mitarbeiter der/des Jobcenter/s sollen ihre Hinweise an ein bestimmtes (geschwärztes) Postfach senden. Die Hinweise würden absolut vertraulich behandelt. Als Ansprechpartner für den Verfassungsschutz wurde eine Person Namens – geschwärzt – benannt. Mit dieser Kooperation habe/n das/die Jobcenter „einen weiteren Mosaikstein im Sicherheitskonzept für unsere Mitarbeiter und Kunden eingefügt.“

Soviel zur Email, die uns vorliegt. Nun teilt die Pressereferentin der Bundeszentrale für Arbeit auf Anfrage schriftlich mit, das gemäß §72 Sozialgesetzbuch X die Übermittlung von Sozialdaten durch Sozialbehörden (Behörden im Bereich der Sozialgesetzbücher, zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit, Krankenkassen, Rentenversicherungsträger) an Behörden des Verfassungsschutzes geregelt seien.

Die Aufforderung an die Mitarbeiter der/des Jobcenter/s liest sich allerdings in wichtigen Teilen weit darüber hinausgehend. Denn hier geht es ja nicht um eine nach bestimmten Kriterien im Einzelfall zulässige Weitergabe von vom Jobcenter aufgenommenen Sozialdaten, sondern um Weitergabe und Meldung von individuell von Jobcenter-Mitarbeitern nach eigenem Ermessen festgestellten „Auffälligkeiten“ an den VS oder an eine Vertrauensperson im Jobcenter zur Weitergabe an den VS.
Paragraph §72 Sozialgesetzbuch regelt schwarz auf weiß, recht eindeutig und klar, welche Informationen ausschließlich übermittelt werden dürfen und auf welchem Wege: Die Übermittlung ist auf Angaben über Name und Vorname sowie früher geführte Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige und frühere Anschriften des Betroffenen sowie Namen und Anschriften seiner derzeitigen und früheren Arbeitgeber beschränkt.

Ämterübergreifende Informationspflichten also hin oder her, es gibt scharfe Einschränkungen, die unter anderem wohl Denunziation und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten ausschließen sollen: So darf eine Erforderlichkeit des Übermittlungsersuchens zur Weitergabe genannter Daten lediglich von Personen entschieden werden, die eine Befähigung zum Richteramt vorweisen können oder die Voraussetzungen des § 110 des Deutschen Richtergesetzes erfüllen.

Jetzt könnte man sagen, besondere Umstände wie Massenzuwanderung einschließlich potentiellem islamistischen Terror aus dieser Personengruppe rechtfertigen besondere Maßnahmen: so gesehen möglicherweise sogar eine begrüßenswerte Initiative. Hier wäre ja zweifelsfrei eine übergreifende Kooperation von Vorteil bei z.B. der Terrorabwehr oder Vereitelung von Straftaten anfangend beim einfachen Sozialbetrug bis hin zu schwersten terroristischen Straftaten. Aber rechtens ist es damit noch lange nicht.

So bestätigt die Pressereferentin der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit auch eindeutig: „Dieser Übermittlung von Daten muss ein konkretes Ersuchen der oben genannten Ermittlungsbehörden vorangehen.“ Damit wären also präventive Meldungen nach „Auffälligkeiten“ durch Jobcenter-Mitarbeiter an ein Postfach oder einen Ansprechpartner für den Verfassungsschutz ausgeschlossen. Aber genau das scheint nun Inhalt der internen Email zu sein.

Würde sich beispielsweise ein Kunde beim Mitarbeiter des Jobcenters als Reichsbürger zu erkennen geben oder irgendetwas an seinen Äußerungen oder sogar nur Äußerlichkeiten darauf hindeuten, dann müsste hier mindestens zusätzlich eine konkrete Drohungen gegenüber Mitarbeitenden vorliegen, also eine konkrete Bedrohungslage, die dann – und erst nach nochmaliger Prüfung des Einzelfalls durch den Vorsitzenden der Geschäftsführung einer Arbeitsagentur – eventuell Anlass gäbe, Sozialdaten der betreffenden Person gemäß §72 SGB X an das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz weiterzugeben. Die Email an die Mitarbeiter liest sich indes ganz anders bis hin zur Meldung von „Auffälligkeiten“ bestimmter Personengruppe, die zu verifizieren niemals im Kompetenzbereich dieser Mitarbeiter liegen kann.

Die erste Fachkraft/Presse und Marketing der Bundesagentur für Arbeit der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland teilte auf Anfrage zunächst mit: „Die Mail des Jobcenters im Regionalverband Saarbrücken war uns bis zu Ihrem Anruf nicht bekannt, da es sich um eine interne Kommunikation des Jobcenters handelt.“ Die Regionaldirektion (…) sei nicht in den internen Mailverkehr des Jobcenters Saarbrücken involviert. Auch die Pressereferentin der Bundesagentur für Arbeit konnte nicht bestätigen, dass, um was das Jobcenter im Saarland seine Mitarbeiter bittet, auch bundesweit als Kooperation mit Länderverfassungsschutzbehörden vereinbart wurde oder in Planung sei. Allerdings auch nicht das Gegenteil.

Der Pressesprecher aus der Saarländischen Regionalredaktion hingegen erkannte wohl schnell die Brisanz der geleakten Email und schickt vorsorglich voraus: „Die in der Mail verwendete Begrifflichkeit eines ‚Kooperationsabschlusses mit dem Landesamt für Verfassungsschutz‘ ist missverständlich.“ Und er erklärt weiter, es fänden derzeit für Behörden Informationsveranstaltungen des Landesamtes für Verfassungsschutz statt. „In diesem Zusammenhang wurden die Mitarbeiter per Mail auf ein internes Verfahren (mit einer Mailadresse zu einem Jobcenter internen Postfach) hingewiesen, um gegebenenfalls konkrete Verdachtsmomente zu transportieren und zu kanalisieren.“
Kanalisieren offensichtlich in Richtung VS. Das aber ist gesetzlich ohne konkretes Ersuchen nun mal nicht rechtlich gedeckt. Noch weniger, wenn die Mail Vertraulichkeit zusichert im Gespräch mit einem extra ausgewiesenen Ansprechpartner für den Verfassungsschutz oder sogar einer bestimmten Person des Verfassungsschutzes, hier bleibt die vorliegende Email unbestimmt – schon aufgrund der Schwärzungen der Ansprechperson. Aber in beiden Fälle bliebe diese Kooperation auffällig in der Beurteilung einer Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise.

Saarland als VS-Vorreiter?

Eine weitere Stellungsnahme zur Mail kommt aus dem Ministerium für Inneres, Bauen und Sport des Saarlandes, vom dortigen Amt des Ministers, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:

„Das saarländische Landesamt für Verfassungsschutz führt bereits seit längerem regelmäßig Sensibilisierungsgespräche in verschiedenen Behörden im Saarland durch. Ziel der Gespräche ist es, (…) für die derzeit anhaltend hohe abstrakte Gefährdungslage in Bezug auf den Islamistischen Terrorismus zu sensibilisieren, um ggf. vorliegende Verdachts- und Radikalisierungshinweise im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten frühzeitig an das Landesamt für Verfassungsschutz zu übermitteln.“

Und genau hier öffnet sich nun eine breite Grauzone, die übergangslos in den roten Bereich übergehen könnte, wenn mit investigativen Aufgaben des VS nicht vertraute Personen eben diese Aufgabe übernehmen sollen um sie direkt wieterzuleiten. Wenn also einfache – sowieso schon in ihrer Tätigkeit überlastete Jobcentermitarbeiter als eine Art Inoffizielle Mitarbeiter (wenn man nicht V-Mann sagen will) des Verfassungsschutzes zur Gefahrenabwehr in einer Vielzahl von Bereichen von Rechtsextremismus über Islamistischen Terrors sogar bis hin zur Sabotageabwehr an ihrem Arbeitsplatz im Jobcenter tätig werden sollen.

Was soll man nun davon halten? Zum einen ließe sich ja positiv anmerken, dass hier der Versuch unternommen wird, einen hilfreichen und ämterübergreifenden Informationsaustausch herzustellen. So stellte die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Inneres, Bauen und Sport des Saarlandes klar, worum es in Wirklichkeit ginge: nämlich um eine Sensibilisierung für die „derzeit anhaltend hohe abstrakte Gefährdungslage in Bezug auf den Islamistischen Terrorismus“. Von Reichsbürgern, Rechtsextremismus und Linksextremismus ist hier schon gar nicht mehr die Rede.
Man könnte also schlussfolgern, dass hier in der Kooperation zwischen Verfassungsschutz und Jobcenter nur deshalb ein so umfangreiches Paket geschnürt wurde, um auch die große Anzahl an Zuwanderungsbefürworter in der großen saarländischen Koalition zufrieden zu stellen: keine effiziente Verfolgung islamistischen Terrors ohne eine Alibi-Verfolgung auch extremistischer Zuwanderungsgegner via Jobcenter.

Oder man will gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. So weiß man heute, dass die Ministerpräsidentin des Saarlandes auch deshalb keine Regierung mit der Partei die Linken eingehen wollte, weil diese das Ziel gehabt hätten, den Verfassungsschutz im Saarland ganz abzuschaffen. Aber ohne VS keine Kooperation des Landesamtes mit den Jobcentern, mit der Stelle, die zukünftig für diese große Zahl an Asylanten und Geduldeten Hartz4 bearbeiten muss, die diese Personen nun „fördern und fordern“ muss: oder fördern, fordern und jetzt auch noch observieren.

Ob diese Kooperation auch in anderen Bundesländern bereits funktioniert, ist nicht offiziell bekannt. Auch auf Bundesebene ist nichts bekannt. Zumindest bis zum nächsten Leak.

Nachtrag:

Die Presseabteilung der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit teilte heute um 7:52 Uhr lapidar mit, dass es sich beim Ansprechpartner für den Verfassungsschutz um Mitarbeiterinnen des Jobcenters Saarbrücken handelt.

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