Deutschland

Staatliche Überwachung: 1.500 Post-Mitarbeiter filzen jährlich 15 Millionen Briefe und Päckchen

Staatliche Überwachung: 1.500 Post-Mitarbeiter filzen jährlich 15 Millionen Briefe und Päckchen

Bei der Deutschen Post sind insgesamt 1.494 Mitarbeiter damit beschäftigt, die Briefe und Pakete von sogenannten „Verdächtigen“ herauszusuchen und deutschen Behörden auszuhändigen. Auf die Frage, wie viele Poststücke jährlich von staatlichen Behörden geöffnet werden, verweigert die Bundesregierung jegliche Auskunft. Das geht aus dem Antwortschreiben des Innenministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei hervor.

Darin gibt Innenminister Thomas de Maizière (CDU) außerdem vor, dass das Postgeheimnis angeblich nur dann durch den Staat verletzt wird, wenn jemand verdächtig ist, etwa einen Terroranschlag oder ein schweres Verbrechen wie Mord oder Totschlag zu planen und begangen zu haben. Dass es sich dabei um eine vorgeschobene Schutzbehauptung handelt, die ausschließlich dazu dient, neben den Brief- und Paketsendungen von möglichen Straftätern, auch die von mehreren Millionen Bürgern zu überwachen, lässt sich allein am personellen Aufwand erkennen, der hier betrieben wird. Zum selben Schluss kommt auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. In der Osnabrücker Zeitung sagt sie: „Schon die hohe Zahl von rund 1.500 in die Postüberwachung eingebundenen Mitarbeitern allein bei der Deutschen Post lässt ein erschreckend hohes Ausmaß der staatlichen Überwachung befürchten.“

Bürgerüberwachung mit Mitarbeiterstab eines Großunternehmens

Wenn man abstellt, dass jeder der rund 1.500 Post-Mitarbeiter, während seiner Schicht, nur 30 Sendungen bearbeitet, so sind täglich mindestens 45.000 Briefe und Pakete von der staatlichen Kontrolle betroffen. Bei 28 Arbeitstagen ergeben sich daraus 1,26 Millionen Sendungen pro Monat und etwas mehr als 15 Millionen abgefangene und überwachte Sendungen pro Jahr. Entgegen der Angaben von Thomas de Maizière, lässt sich eine solche Anzahl an operativen Überwachungsvorgängen nicht mal ansatzweise begründen. Denn unter den insgesamt 6,33 Millionen begangenen Straftaten im Jahr 2016, befinden sich laut Polizeilicher Kriminalstatistik gerade mal 193.500 Fälle, die der Definition nach, eine “schwere Straftat” darstellen.

Folglich stehen mehr als 15 Millionen überwachte Postsendungen lediglich 193.500 schwere Straftaten gegenüber, mit denen sich eine solche Überwachungsmaßnahme rechtfertigen ließe. Dazwischen klafft eine riesige Lücke von mindestens 14.8 Millionen bespitzelten Brief- und Paketsendungen, die dem Anschein nach ohne triftigen Grund vom Staat gefilzt werden. Berücksichtigt man, dass jeder einzelne der 1.500 eingesetzten Post-Spitzel, während eines achtstündigen Arbeitstag, nicht nur die zugrunde gelegten 30 Sendungen, sondern ein Vielfaches von dem schafft, dann dürfte die tatsächliche Anzahl widerrechtlich durchgeführter Überwachungen noch weitaus höher sein, als angegeben.

Im Verhältnis zu den 59 Millionen Briefen und 4,3 Millionen Päckchen und Paketen, die die Post am Tag versendet, mögen 15 Millionen geöffnete Poststücke pro Jahr vergleichsweise gering erscheinen. Für eine staatliche Überwachungsmaßnahme, die sich nicht nur gegen Straftäter, sondern vor allem gegen unbescholtene Bürger richtet, wäre diese Anzahl allerdings erschreckend.

Wasserkochen und Tiefkühlfach als Hilfsmittel

Wie man versiegelte Umschläge heimlich öffnen kann, ist auf einschlägigen Ratgeberseiten im Internet zu lesen. Zwei Methoden gelten als aussichtsreich: Entweder den Kleber mithilfe von Dampf lösen, am besten über einem Kochtopf oder Wasserkocher, und ohne dass der Umschlag einweicht und Wellen wirft. Dann mit frischem Kleber verschließen – schon sieht er aus wie vorher. Eine andere Methode lautet: Den Umschlag ins Eisfach legen, dann lässt er sich leicht öffnen, und wieder schließen, wenn der Kleber zu tauen beginnt.

Staatliche Überwachung: 1.500 Post-Mitarbeiter filzen jährlich 15 Millionen Briefe und PäckchenSpitzel des Staats machen es nicht viel anders: Wie aus dem Innenministerium verlautet, hat der Verfassungsschutz jüngst wieder Dampf-Heißluftgeräte angeschafft. Aber auch Röntgengeräte, mit denen die Post durchleuchtet wird, standen auf der Einkaufsliste.

Aber es gibt auch noch andere Fälle, bei denen das Postgesetz das Öffnen erlaubt. Zum Beispiel wenn der Karton beschädigt ist, etwa bei zerbrochenen Champagnerflachen oder ausgelaufenem Shampoo. Dann verpackt die Post neu und legt ein Anschreiben dazu, dass das Paket wegen Beschädigung geöffnet wurde – der Empfänger weiß also Bescheid. Auch wenn Serienbriefe wie Werbepost günstiger verschickt werden, darf die Post reinschauen, um zu sehen, ob die Ermäßigung berechtigt ist. Und wenn weder der Empfänger noch der Absender zu ermitteln sind, versucht das Briefermittlungszentrum Marburg, im Innern Hinweise zu finden.

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