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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán: „Wir müssen beschützen was wir und wer wir sind“

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán: „Wir müssen beschützen was wir und wer wir sind“
Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn

Am 23. Dezember veröffentlichte die ungarische Zeitung „Magyar idők” einen Artikel des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der an alle wahren Europäer, seien sie religiös oder nicht, gerichtet ist. Er läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

von Viktor Orbán

Wir erwarten das große Fest der christlichen Welt, die Geburt unseres Herrn Christus. In der Stille des Wartens erheben wir unseren Blick, wir lösen uns von den alltäglichen Problemen, der Horizont der Seele weitet sich. In diesem besonderen Zustand können wir die Bilanz des Jahresendes ziehen und neu bedenken, welche Rolle wir im nächsten Jahr auf der Welt spielen werden.

Wir Europäer – eingestanden, uneingestanden, wissentlich oder unwissentlich – leben in einer nach Christi Lehre eingerichteten Kultur. Ich zitiere hier den bekannten Ausspruch unseres verstorbenen Ministerpräsidenten József Antall: In Europa ist sogar der Atheist ein Christ. Wir Ungarn blicken mit Recht auf uns als eine christliche Nation. Unsere Muttersprache, durch die wir die Realität verstanden und gestaltet haben, ist mit der keiner anderen europäischen Nation verwandt. Das hat auch eine wertvolle Konsequenz.

Wir wissen von Babits (dem 1941 verstorbenen Schriftsteller), dass der ungarische Geist aus der Begegnung unseres aus dem Osten gebrachten Charakters mit der christlichen westlichen Kultur geboren wurde. Und daraus wiederum die ungarische Weltanschauung und Denkungsart, können wir ergänzen. Aber es hat auch viele Schwierigkeiten, Unverständnis, Verlassenheit und gelegentlich das Lebensgefühl von Fremdheit verursacht. Trotzdem hat uns unser christliches Wesen, unser lebendiger Glaube uns in der Mitte Europas erhalten. Deshalb können wir bis zum heutigen Tag unsere muttersprachliche Kultur annehmen, und wir sind stolz darauf, dass wir mit der tausendjährigen Leistung unserer Nation zum Aufstieg Europas beigetragen haben.

Wir müssen unsere Nächsten lieben, aber wir müssen uns auch selbst lieben

Gemäß dem Markus-Evangelium lautet das zweite Gebot Christi folgendermaßen: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Derzeit erwähnt man dieses Gebot Christi in Europa viel. Damit will man uns vorwerfen, dass wir, obwohl wir uns als Christen bekennen, es trotzdem nicht wollen, ja auch nicht zulassen, dass von anderen Kontinenten ankommende Millionen sich in Europa niederlassen können.

Aber sie vergessen den zweiten Teil des Gebotes. Die Lehre besteht nämlich aus zwei Teilen: Wir müssen unsere Nächsten lieben, aber wir müssen uns auch selbst lieben. Uns selbst zu lieben bedeutet auch, dass wir all das auf uns nehmen und beschützen, was wir und wer wir sind.

„Uns selbst zu lieben bedeutet, dass wir unsere Heimat, unsere Nation, unsere Familie, die ungarische Kultur und die europäische Zivilisation lieben.“

Innerhalb dieser Rahmen konnte sich und kann sich immer und immer wieder unsere Freiheit, die ungarische Freiheit entfalten.

Über Jahrhunderte haben wir so gelebt, dass wir wussten: die ungarische Freiheit ist zugleich die Garantie für Europas Freiheit. Mit diesem Sendungsbewußtsein hielten wir stand bei der osmanischen Eroberung, das gab (1848) das Schwert in die Hand Petőfis und seiner Generation und das gab auch (1956) den Pester Jungens Mut. Unser Grundgesetz drückt das so aus: „Wir sind stolz darauf, dass unser König Stephan den ungarischen Staat vor tausend Jahren auf einer festen Basis errichtet und unsere Heimat zu einem Teil des christlichen Europas gemacht hat. Wir erkennen die nationserhaltende Rolle des Christentums an.“

Unsere Kultur ist die Kultur des Lebens

Wenn wir die Grenzen unserer Identität ziehen, dann kennzeichnen wir die christliche Kultur als Quelle unseres Stolzes und unserer erhaltenden Kraft. Das Christentum ist Kultur und Zivilisation. Wir leben darin. Es ist nicht davon die Rede, wie viele in die Kirche gehen oder wie viele ehrlich beten.

„Die Kultur ist die Realität des täglichen Lebens. Wie wir reden, wie wir miteinander umgehen, welche Entfernung wir zueinander halten, wie wir uns einander nähern, wie wir in diese Welt eintreten und wie wir sie verlassen.“

Für die europäischen Menschen bestimmt die christliche Kultur unsere alltäglichen Sitten. In Grenzsituationen gibt das uns Maß und Richtung. Die christliche Kultur korrigiert uns in den Widersprüchen des Lebens. Sie bestimmt unsere Auffassung vom Wesen der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, von der Beziehung von Mann und Frau, vom Erfolg, von der Arbeit und von der Ehre.

Unsere Kultur ist die Kultur des Lebens. Unser Ausgangspunkt, das Alpha und Omega unserer Lebensphilosophie ist der Wert des Lebens, die von Gott verliehene Würde jeder Person – ohne dieses könnten wir weder die „Menschenrechte“ noch ähnliche moderne Konstruktionen wertschätzen. Auch deshalb ist es für uns fraglich, ob sie in das Leben von auf anderen Pfeilern erbauten Zivilisationen exportiert werden können.

Die Fundamente des europäischen Lebens werden jetzt angegriffen. Die Selbstverständlichkeit des europäischen Lebens ist in Gefahr geraten, diejenigen Dinge, die nicht reflektiert, sondern nur ausgeführt werden müssen. Die Hauptsache der Kultur besteht genau darin, dass, wenn sie nicht selbstverständlich ist, wir, die Menschen unseren Halt verlieren. Es gibt nichts, woran wir uns festhalten können, wonach wir unsere Uhren stellen und unsere Kompassnadel ausrichten können. Egal, ob wir in die Kirche gehen oder nicht, und wenn ja, in welche,

„wir wollen nicht, dass wir den Heiligabend nur hinter zugezogenen Vorhängen feiern können, um nicht die Empfindlichkeit Anderer zu verletzen.“

Wir wollen nicht, dass man unsere Weihnachtsmärkte umbenennt, das aber wollen wir schon gar nicht, dass wir uns hinter Betonblöcke zurückziehen. Wir wollen nicht, dass man unsere Kinder der Freuden des Wartens auf den Weihnachtsmann und den Engel beraubt. Wir wollen nicht, dass man uns das Fest der Auferstehung nimmt. Wir wollen nicht, dass Sorge und Angst unsere feierlichen Gottesdienste begleiten. Wir wollen nicht, dass unsere Frauen und Töchter in einer das Neue Jahr begrüßenden Menge belästigt werden.

Das Immunsystem Europas wird bewusst geschwächt

Wir Europäer sind Christen. All das gehört uns, so leben wir. Für uns war es selbstverständlich, dass Jesus geboren wird, für uns den Kreuzestod stirbt und dann aufersteht. Unsere Feste sind für uns selbstverständlich und wir erwarten von ihnen, dass sie unserem Alltag Sinn geben. Die Kultur ähnelt dem Abwehrsystem des menschlichen Körpers: Solange es funktioniert, bemerken wir es nicht einmal. Es fällt dann auf und wird uns wichtig, wenn es geschwächt wird. Wenn man Kreuze retouchiert, wenn man ein Kreuz von der Statue Papst Johannes Paul II. entfernen will, wenn man will, dass wir die Feiertagsordnung ändern sollen, dann ächzt jeder Europäer guten Willens auf. Auch die, deren Christentum – wie das (der ungarische Dichter) Gyula Juhász auf den Punkt brachte – „nur ein mit Weihwasser besprengtes Heidentum“ ist. Aber sogar diejenigen, die, wie Oriana Fallaci, als „atheistische Christen“ Angst um Europa haben.

Heute zielt der Angriff auf die Grundlagen unseres Lebens, unserer Welteinrichtung. Das Immunsystem Europas wird bewusst geschwächt. Man will, dass wir nicht die sein sollen, die wir sind. Man will, dass wir zu denen werden sollen, die wir nicht sein wollen.

„Man will, dass wir uns vermischen mit aus anderen Welten gekommenen Völkern und dass wir uns im Interesse der Problemlosigkeit der Vermischung ändern sollen.“

Im Licht der Weihnachtskerzen ist deutlich sichtbar, dass wenn die christliche Kultur angegriffen wird, man es auch auf die Abschaffung Europas abgesehen hat. Man will uns unser eigenes Leben nehmen und es durch etwas ersetzen, das nicht unser Leben ist. Man verspricht uns im Tausch für unser bisheriges Leben ein neues, aufgeklärteres Leben. Dies ist jedoch Utopie, man hat es nicht aus dem wirklichen Leben, sondern aus abstrakten philosophischen Klügeleien herausdestilliert. Die Utopien sind Träume, die wunderbar sein können, weshalb sie attraktiv sind, aber sie sind genauso verworren, unkenntlich, dunkel und unverständlich wie die Träume. Man kann weder leben noch sich auskennen in ihnen.

Wir können nicht behaupten, dass die christliche Kultur die vollkommenste ist. Genau das ist der Schlüssel zur christlichen Kultur: Wir sind uns der Unvollkommenheit bewusst, auch unserer eigenen Unvollkommenheit, aber wir haben gelernt, mit ihr zu leben, aus ihr Inspiration zu schöpfen und Auftrieb zu gewinnen. Genau deshalb streben wir, die Europäer, seit Jahrhunderten danach, die Welt besser zu machen.

„Das Geschenk der Unvollkommenheit besteht in der Tat darin, dass wir die Möglichkeit haben zu verbessern. Auch diese Möglichkeit wollen uns jene nehmen, die mit dem Versprechen einer schönen neuen vermischten Welt all das abreißen wollen, wofür unsere Vorfahren – wenn es sein musste – auch ihr Blut gaben und was genau darum zu vererben unsere Pflicht ist.“

Für eine Weile ist es in Vergessenheit geraten, aber heutzutage höre ich es immer öfter, dass die Gründungsväter der Europäischen Union vor sechzig Jahren die Richtung gewiesen haben. Europa wird christlich sein oder es wird nicht sein, sagte Robert Schuman. Das Jahr 2017 hat die europäischen Länder vor eine historische Aufgabe gestellt. Den europäischen freien Nationen, den von freien Bürgern gewählten nationalen Regierungen bot sich eine neue Aufgabe: Wir müssen die christliche Kultur verteidigen. Nicht Anderen gegenüber, sondern zur Verteidigung von uns selbst, unserer Familien, unserer Nationen, unserer Länder und des „Vaterlands der Vaterländer“, Europas.

Wir haben ein Recht auf unser eigenes Leben

Im Jahr 2017 konnten wir auch das sehen, dass die Führer der europäischen Länder unterschiedlich zu dieser Aufgabe stehen. Es gibt welche, für die das Problem nicht existiert. Andere glauben, dass genau dies der Fortschritt ist. Wieder andere haben den Weg der Selbstaufgabe betreten. Es gibt auch solche, die mit den Händen im Schoss warten, dass irgendwann jemand an ihrer Stelle die Aufgabe löst. Ungarns tausendjährige Geschichte beweist, dass wir nicht so sind. Wir gehen auf anderen Wegen. Unser Ausgangspunkt war immer schon der, dass wir ein Recht haben auf unser eigenes Leben. Und wenn wir genügend Kraft hatten dazu, dann haben wir dieses Recht auch beschützt.

„Deshalb arbeiten wir seit Jahren dafür, dass Ungarn stärker wird und endlich wieder auf eigenen Füßen stehen kann.“

Mit Blick auf das Jahr 2018 können wir so viel sagen, dass solange die nationale Regierung an der Spitze des Landes steht, wir klug, sanft, aber kompromisslos dafür arbeiten, dass unsere Heimat die christliche Kultur behält und ein ungarisches Land bleibt. Und wir werden unser Möglichstes tun, damit auch Europa europäisch bleibt.

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