Deutschland

Bertelsmann Stiftung: Machtpolitik unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit

Bertelsmann Stiftung: Machtpolitik unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit
Zentrale von Bertelsmann in Gütersloh

“Um ihrer politischen Verantwortung gerecht zu werden, muss eine Regierung sich im Zweifelsfall auch gegen den empirischen und kontingenten Volkswillen durchsetzen. Politische Entscheidungen, die der gegebenen Mehrheitsmeinung entgegenstehen, sind nur auf den ersten Blick demokratietheoretisch bedenklich.” Bertelsmann. Seit Jahrzehnten degradiert der Medienkonzern die Protagonisten der deutschen Regierung geschickt zu Statisten und zieht im Hintergrund die Fäden auf dem politischen Parkett.

von Josef Kraus

Die mediale und die politische Wirkung von Bertelsmann bzw. der Familie Mohn hat mit dem Bertelsmann-Medienkonzern und deren schier endlosen finanziellen, medialen und politischen Möglichkeiten zu tun. Der Medienkonzern Bertelsmann SE & Co. KGaA ist immerhin mit rund 80.000 Beschäftigten in rund 50 Ländern der Welt aktiv. Zum Konzernverbund gehören die Fernsehgruppe RTL Group samt RTL, RTL 2, Super RTL, Vox, n-tv, ferner die Verlagsgruppe Penguin Random House mit mehr als 120 Einzelverlagen, die jährlich rund 11.000 Neuerscheinungen veröffentlichen und jährlich mehr als 500 Millionen Bücher verkaufen. Dazu gehören in Deutschland neben den unter dem Namen Bertelsmann erscheinenden Verlagen etwa die Deutsche Verlags-Anstalt, der Heyne Verlag, Kösel, der Luchterhand Literaturverlag, Goldmann, Kösel, Siedler, ferner der Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr mit rund 300 Magazintiteln, zum Beispiel art, Brigitte, Capital, Eltern, Gala, die Geo-Magazine, PM, Schöner wohnen, Stern u.v.a.m. Zu Gruner + Jahr gehört auch der Vertrieb der Wochenzeitung „Die Zeit“. Ferner gehören zu Bertelsmann das Musikunternehmen BMG, die Bertelsmann Printing Group, die Bertelsmann Education Group sowie das internationale Fonds-Netzwerk Bertelsmann Investments.

Eine zentrale Position innerhalb des Konzerns nimmt die „arvato AG ein. Sie ist eine hundertprozentige Tochter der Bertelsmann SE & Co. KGaA; mit ihren mehr als 70.000 Mitarbeitern in über 40 Ländern versteht sie sich als international tätiger Dienstleister im Bereich Outsourcing, das heißt im Bereich „Government Services“. Das Wort arvato ist eine Abkürzung: ar steht für das lateinische Wort ars, die Kunst, va für Variation, t für Technik und o für Organisation. Auf der Bertelsmann-Website, aufgerufen am 13. Juli 2016, ist unter „Arvato – Alles aus einer Hand“ zu lesen: „Als global agierender Business-Process-Outsourcing-Dienstleister unterstützt Arvato Geschäftskunden unterschiedlichster Branchen dabei, die Beziehungen zu ihren Kunden erfolgreich zu gestalten. Arvato konzipiert und realisiert zu diesem Zweck in mehr als 40 Ländern maßgeschneiderte Lösungen. Zu dem breiten Spektrum an Dienstleistungen zählen Datenmanagement, Kundenservice, Dienstleistungen im Rahmen von Kundenbeziehungen, Management von Versorgungsketten, digitale Auslieferung, Finanzdienstleistungen sowie qualifizierte und individualisierte IT-Services.“ Das Land NRW hat für arvato direct services GmbH von 1. Juli 2009 bis 6. April 2016 übrigens 6,68 Millionen Euro aufgewendet. Mit 117.000 Mitarbeitern erzielte das Unternehmen 2015 einen Umsatz von 17,1 Mrd. Euro.

Die Bertelsmann Stiftung weiß sich als selbsternannte „Reformwerkstatt“ und „Denkfabrik“ zu inszenieren. 1977 gegründet, hält sie seit 1993 rund 77 Prozent der Aktien der Bertelsmann SE & Co. KGa. Das erlaubt ihr nicht nur die Beschäftigung von hunderten Mitarbeitern, sondern größte mediale Verbreitung über die in der Hand der Mohn-Familie befindlichen Sender und Printmedien. Mit der Übertragung von mehr als Dreivierteln der Konzernaktien sparte man obendrein vermutlich gut zwei Milliarden Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Bertelsmann Stiftung mit ihrem Jahresetat von rund – so die Jahre 2015 und 2016 – 70 Millionen Euro und mit einem Gesamtvolumen aller ihrer Projekte von 1977 bis 2015 in der Höhe von 1,27 Mrd. Euro arbeitet also de facto mit öffentlichem Geld. Dabei vergibt die Stiftung keine Fördergelder, sondern ist nur selbst operativ tätig. Die Grenzen zwischen Gemeinwohlorientierung und Profitinteressen erscheinen hier als fließend.

Thomas Schuler sagt dazu bei „Telepolis“ am 30.08.2010 zu Recht: „So gesehen, stehen sie immer noch in der Schuld der Allgemeinheit.“ Anders ausgedrückt: Verlöre die Stiftung die Gemeinnützigkeit, könnte die öffentliche Hand mit den Steuermehreinnahmen die Wohltaten der Stiftung selbst finanzieren. Nur am Rande: In den USA wäre eine solche Bündelung von Konzern- und Stiftungsmacht nicht möglich. Dort dürfen steuerbegünstigte Stiftungen nur 20 Prozent Anteile an einem Unternehmen haben. Bei der Bertelsmann Stiftung sind es 77 Prozent.

Apropos „arvato“: Weltweit will Facebook die Zahl der Mitarbeiter, die Inhalte prüfen und löschen, von 4.500 auf 7.500 ausbauen. Auch in Deutschland baut Facebook die Zahl seiner Mitarbeiter stark aus, um Facebook-Einträge im Einklang mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu entfernen. Im Herbst 2017 werde in Essen ein zweites Löschzentrum mit 500 Mitarbeitern eingerichtet. Und jetzt kommt Bertelsmann ins Spiel: Am ersten Standort Berlin wurde die Zahl der Mitarbeiter der Bertelsmann-Dienstleistungsfirma Arvato, die für Facebook im Einsatz sind, auf 700 erhöht. Das sind Beschäftige verschiedener Länder und Sprachen, deren Job das Löschen von Postings ist. Neben unappetitlichen Inhalten auch solche, die Heiko Maas nicht mag. Das Gehalt der Mitarbeiter liegt nur knapp über Mindestlohn. Man kann sich denken, was das hinsichtlich ihrer Vorqualifikation bedeutet. Volljuristen sind es wohl nicht. Das Arbeitspensum jedes einzelnen liegt auf den untersten Hierarchiestufen bei etwa 2.000 zu prüfenden Beiträgen pro Tag. Höher gestellte Mitarbeiter, die auch Videos begutachten, haben etwa acht Sekunden Zeit für ihre Löschentscheidung. Mit besonders schweren Fällen wie mit Kindesmissbrauch dürften sie sich täglich nur zwei Stunden beschäftigen. Mitarbeiter hätten auch die Möglichkeit, in psychologische Behandlung zu gehen und diese anonym abzurechnen.

Bertelsmann jetzt Arm in Arm mit der Amadeu Antonio Stiftung und deren Kopf Anetta Kahane. Letztere lässt sich heute Menschenrechtsaktivistin nennen, ihre zur Zensor führende Ausbildung hat sie offenbar als Stasi-Mitarbeiterin absolviert. Mit ihrer Stiftung soll sie nun beim Aufspüren von Hassbotschaften im Internet behilflich sein. Wie sich doch manchmal die Kreise schließen.

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