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Russische Regierung warnt EU-Staaten: USA bereiten Atomwaffen-Einsatz in Europa vor

Russische Regierung warnt EU-Staaten: USA bereiten Atomwaffen-Einsatz in Europa vor
Wladimir Putin und sein Außenminister Sergej Lawrow

Sergej Lawrow sieht die amerikanischen Atombomben in Europa als Hindernis für die Atomwaffenabrüstung. Nach Einschätzung des russischen Außenministers bereiten die USA die europäischen Staaten auf einen Atomkrieg gegen Russland vor.

Die sogenannten gemeinsamen Atommissionen, bei denen europäische Nicht-Kernwaffenstaaten den Umgang mit amerikanischen nicht-strategischen Atomwaffen mit üben, seien ein schwerer Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag, sagte Lawrow am Mittwoch auf der Abrüstungskonferenz in Genf:

„Allen muss klar sein, dass das US-Militär auf diese Art und Weise die Streitkräfte europäischer Staaten auf die Anwendung taktischer Atomwaffen gegen Russland vorbereitet“.

Der russische Spitzendiplomat verwies darauf, dass die Vereinigten Staaten das einzige Land der Welt seien, das bereits Atomwaffen gegen eine Nation eingesetzt habe. Er hoffe, dass die Europäer die Stationierung neuer Massenvernichtungswaffen in ihren Ländern strikt ablehnen werden.

Anders als die USA besitze Russland keine einsatzbereiten taktischen Atomwaffen und trainiere auch nicht ihren Einsatz. „Wir lagern diese Munition in Lagern auf unserem Hoheitsgebiet“, so Lawrow. Dass die USA ihre taktischen Atomwaffen in Europa einsatzbereit halten, sei „nicht nur ein Rudiment des Kalten Krieges, sondern auch eine ausgesprochen aggressive Haltung“.

Atomkrieg rückt näher

In dem von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow 1987 unterzeichneten INF-Vertrag verpflichteten sich die Vereinigten Staaten und die damalige Sowjetunion, sämtliche Flugkörper mit mittlerer (1000 bis 5500 Kilometer) und kürzerer (500 bis 1000 Kilometer) Reichweite zu vernichten und keine neuen mehr zu produzieren. Nun will der US-Kongress nach Angaben der Zeitung „Politico“ der Industrie gesetzlich vorschreiben, die Produktion von Kurz- und Mittelstreckensystemen wiederaufzunehmen.

Unter anderem könnte die ballistische Festtreibstoffrakete MGM-31C Pershing II mit einer Reichweite von 1770 Kilometern und einer Sprengkraft von 80 Kilotonnen wiederbelebt werden. Im Kalten Krieg waren diese Raketen sowie die landgestützten Marschflugkörper BGM-109 Tomahawk eine äußerst gefährliche Erstaschlag-Waffe: Sie bräuchten nämlich nur acht bis zehn Flugminuten, um wichtige Anlagen im europäischen Teil der damaligen Sowjetunion zu erreichen.

Damals waren ihre Startrampen in Westeuropa (Westdeutschland) stationiert. Unter den heutigen Bedingungen könnten sie aber viel näher — im Baltikum und sogar in der Ukraine — aufgestellt werden. In diesem Fall würde ihre Flugzeit bis zu russischen Großstädten und wichtigen Militärobjekten praktisch auf Null schrumpfen, der Militär- und politischen Führung Russlands würde nicht die nötige Bedenkzeit für die Entscheidung über einen Vergeltungsschlag bleiben.

Eine Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen unmittelbar an den russischen Westgrenzen, die das auf Interkontinentalraketen ausgelegte russische Frühwarnsystem sinnlos machen würde, füge sich gut in das US-Strategiekonzept Prompt Global Strike (PGS) ein. Durch PGS will sich Amerika nämlich die Möglichkeit verschaffen, jeden beliebigen Ort auf der Erdkugel innerhalb einer Stunde mit nichtnuklearen Waffen zu treffen, was bisher nur mit Interkontinentalraketen möglich ist.

Zugleich modernisieren die USA ihre weitereichenden Atomraketen. Am Dienstag testeten die US-Luftstreitkräfte — bereits zum vierten Mal in diesem Jahr — eine Langstreckenrakete vom Typ Minuteman 3. Die Interkontinentalrakete mit einer Reichweite von rund 6800 Kilometern soll den Kern der modernisierten strategischen Atomwaffen Amerikas bilden.

Präsident Donald Trump hatte bereits nach seinem Wahlsieg eine Verstärkung des amerikanischen Atomwaffenpotenzials angekündigt. Das Pentagon will in den nächsten 15 Jahren etliche Milliarden Dollar für den Bau des neuen Langstreckenbombers B-21, neuer atomar bestückbarer U-Boote und Interkontinentalraketen ausgeben.

Allein in den Kontinental-USA sollen künftig 400 ballistische Interkontinentalraketen in Stellung gebracht werden. Deren Entwicklungs- und Produktionskosten werden selbst vom US-Militär auf 62 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Früher habe es zwischen Washington und Moskau mehrere „Schlichtungskommissionen“ gegeben, um gegenseitige Besorgnisse im militärischen Bereich schnell abzubauen. Die jetzige Krise, die seit der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama andauert, habe den beiden Ländern diese Möglichkeit genommen. Ein Atomkrieg in Europa rückt damit näher.

200 Atombomben in Mitteleuropa

Leonid Iwaschow, Generaloberst i.R. und Präsident der Moskauer Denkfabrik Akademie für geopolitische Probleme, sagte in einem Gespräch gegenüber “Sputnik”, unter welchen Umständen den Europäern der Abzug der US-Waffenarsenals winken könnte:

„Die Europäer haben die US-Atomwaffen gar nicht nötig. Aber durch ihr Atompotenzial und die Federführung in der Nato können die USA sowohl die europäische Wirtschaft als auch Politik unter Kontrolle halten“, führte Iwaschow aus. Ihm zufolge kann man in den nächsten Jahren auf keinen Fall damit rechnen, dass die Amerikaner ihre Atomwaffen wegbringen, denn sie seien für sie ein Mittel, „um Russland unter Druck zu setzen und ihre Macht über Europa zu behalten“.

„Irgendwann in der Zukunft wäre das durchaus möglich. Nämlich dann, wenn die USA sich als Gleiche unter Gleichen sehen und ihre Vorstellung von einer unipolaren Welt aufgeben. Vorerst sind sie dazu aber nicht bereit.“

Russland hat die USA erneut aufgefordert, endlich ihre Atomwaffen aus Europa abzuziehen.„Russland hat all seine Atomwaffen auf sein Hoheitsgebiet gebracht. Auch die USA hätten das schon längst tun müssen“, sagt Michail Uljanow, Ressortleiter Nichtweiterverbreitung und Rüstungskontrolle. Nach seinen Worten lagert Washington in Deutschland, Belgien, Italien, den Niederlanden und der Türkei „bis zu 200 einsatzfähige Atombomben“.

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