Deutschland

Beobachtung der AfD: Wer schützt eigentlich die Verfassung vor den Verfassungsschützern?

Beobachtung der AfD: Wer schützt eigentlich die Verfassung vor den Verfassungsschützern?
Im Visier des Verfassungsschutzes: AfD-Bundessprecher Prof. Dr. Jörg Meuthen und Dr. Alexander Gauland.

Die Alternative für Deutschland hat Klage gegen den Verfassungsschutz eingereicht. Dieser hatte die demokratisch legitimierte Rechtsstaatspartei als Prüffall eingestuft. Doch das sei offensichtliche Wahlkampfhilfe für das etablierte Altparteien-Kartell, schreibt Elmar Schmähling, ehemaliger Flottillenadmiral und Chef des Militärischen Abschirmdienste.

von Elmar Schmähling

Die deutschen Verfassungsschutzbehörden haben jüngst bekannt gegeben, dass die Partei Alternative für Deutschland (AfD) oder genauer: Teile dieser Partei als „Prüffall“ beziehungsweise „Verdachtsfall“ beobachtet werden. Der neue Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang zitiert zur Begründung der neuerlichen Rasterfahndung des Bundesamtes für Verfassungsschutzes Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Dieser Pflicht sei er heute nachgekommen, tönte er stolz in seiner Pressekonferenz. Als ob sich ein Recht des Bundesamts für Verfassungsschutz für die anlasslose Massenauswertung der Meinungsäußerungen von tausenden AfD-Mitgliedern und -Mitarbeitern unmittelbar aus dem Grundgesetz ableiten ließe.

In beachtlicher Fleißarbeit hat eine Arbeitsgruppe im BfV 1069 Seiten Papier, alles aus öffentlichen Quellen, Parteiprogrammen, 182 Reden, Postings in sozialen Medien ausgewertet. Die Facebookprofile von 80 Funktionären wurden geprüft, darunter alle Landesvorstände. Im Gutachten der Prüfgruppe heißt es, „einige AfD-Funktionäre vertreten klar fremdenfeindliche Positionen“, sie träten für eine „demütigende Ungleichbehandlung von Nichtdeutschen“ ein. Geflüchtete würden pauschal als „Aggressoren“ oder „Invasoren“ bezeichnet.

Sprachliche Neuschöpfung

Vertrauensselige Zeitgenossen mögen glauben, dass der Verfassungsschutz das natürliche Recht habe, alles zu sammeln, zu beschnüffeln auszuwerten und zu archivieren, was offen ausgesprochen, irgendwo aufgeschrieben oder gedruckt wird. Dem ist aber nicht so. Die Verfassungsschutzbehörden sind nicht die Stasi. Sie unterliegen engen gesetzlichen Vorgaben, auch wenn sie diese immer wieder übertreten oder missachten.

Während einige Medien die gesammelten Informationen des „Prüfmarathons“ erhalten haben, bestätigte der Parteivorsitzende Alexander Gauland in einer öffentlichen Talkrunde, dass seine Partei die angeblich brisanten Erkenntnisse nicht bekommen hätte. Angesichts der wachsenden Popularität der AfD und der Sorge über ihre stärkere Vertretung in den Parlamenten scheint nicht nur bei den „demokratische Parteien“, sondern besonders bei den Verfassungsschützern Panik ausgebrochen zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, warum der Nachrichtendienst seinen Auftrag vergessen zu haben scheint.

Mit sprachlichen Eigenschöpfungen wie „Prüffall“ und „Verdachtsfall“ will der Verfassungsschutz offenbar seine Hilflosigkeit verdecken. Es handelt es sich hier um den Versuch, unauffällig und ohne rechtliche Grundlage und nach Bedarf auch Informationsgewinnung mit nachrichtendienstlichen Mitteln in einer Light-Version durchzuführen. „Anhaltspunkte tatsächlicher Art“ als Voraussetzung für den Eingriff in die geschützte Sphäre von Personen werden hier nicht verlangt. Das bedeutet doch, nebenbei bemerkt, dass sich der Verfassungsschutz eigenmächtig den Teich, in dem er fischen will, selbst eingetrübt hat.

Die Aufgaben der Geheimdienste

Nun aber zum Grundsätzlichen: Die geheimen Nachrichtendienste heißen ja nicht deshalb so, weil ihre Arbeitsweise sowie ihre Rechte und Pflichten geheim gehalten werden, sondern weil sie unter bestimmten Voraussetzungen zur Erkenntnisgewinnung nachrichtendienstliche Mittel und Methoden einsetzen dürfen. Ihre gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse sind in mehreren offen zugänglichen Gesetzen geregelt.

So heißt es etwa im Paragraf 3 des „Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BVerfSchG), deren Aufgabe sei „die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über

  1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben,
  2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht,
  3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepubluik Deutschland gefährden,
  4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völkeer (Artikel 26 Abs 1 des Grundgesetzes)gerichtet sind.

Offensichtlichen Wahlkampfhilfe

Meinungsäußerungen oder vermutete Gesinnungen, nach dem Grundgesetz Artikel 5 geschützt, sind ausdrücklich nicht Gegenstand der berechtigten Sammlung und Auswertung. Der Unterschied zwischen „Meinung“ und „Bestrebung“ ist evident. Ein Beispiel: Man könnte beispielsweise die Meinung öffentlich vertreten, dass in Deutschland die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollte. Das wäre eine vom Grundgesetz geschützte Meinungsäußerung. Den Verfassungsschutz ginge diese Meinung nichts an. Erst wenn ich zielgerichtete Aktivitäten zur Umsetzung dieser Meinung unternähme, würde sie zu einer Bestrebung werden.

Die AfD wird im öffentlichen Raum implizit als nicht demokratische Partei hingestellt. Das ist der logische Schluss aus dem Umstand, dass die anderen Parteien als „demokratische Parteien“ bezeichnet werden. Dies ist im doppelten Sinn unverständlich und sinnwidrig, da nach dem Grundgesetz nur demokratische Parteien in den Bundestag gewählt werden dürfen. Wenn die „demokratischen“ Parteien sich selbst ernst nähmen, müssten sie einen Verbotsantrag gegen die AfD stellen. Das tun sie aus gutem Grund nicht. Die Verfassungsschützer bleiben in ihrer offensichtlichen Wahlkampfhilfe aus demselben Grund absichtlich im Unbestimmten. Sie können auf die Wirkung der lateinischen Weisheit des „semper aliquid haeret“ (Etwas bleibt immer hängen) zählen.

Die Verfassungsschützer, die nach dem Wegfall der offenen Ost-West-Konfrontation notorisch unterbeschäftigt zu sein scheinen, sind offenbar für ihren Einsatz als Wahlhelfer für die „demokratischen“ Parteien dankbar. Sie nehmen billigend in Kauf, dass sie mit ihrer einseitigen Parteinahme zum Büttel der „demokratischen“ Parteien werden. Dafür müssen sie nach eigener Auffassung unerwünschte Meinungen sammeln und auswerten. So trägt der Verfassungsschutz dazu bei, das historische Duckmäusertum in Deutschland wieder zu etablieren. Dieser Schaden für unser Land ist viel größer als der Wahlerfolg der AfD.

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