Deutschland

Die „Fake News“-Hysterie und der neue „vormundschaftliche Staat“

Die „Fake News“-Hysterie und der neue „vormundschaftliche Staat“

Weil das deutsche Establishment die Deutungshoheit über Nachrichten und Informationen bereits weitestgehend verloren hat, wollen Politiker jetzt einen Straftatbestand für sogenannte “Desinformation” im Internet einführen. Was harmlos klingt, ist in Wirklichkeit der nächste große Schritt Richtung totalitärer Merkel-Diktatur. Was “Desinformation” nämlich konkret bedeutet soll nicht genauer definiert werden. Im Klartext heißt das: Das Verfassen, Publizieren und Weiterverbreiten von unliebsamen Wahrheiten steht zukünftig unter Strafe und kann für Jedermann im Gefängnis enden.

von Paul Schreyer

Eine wissenschaftliche Studie habe russische Propaganda-Kampagne nun belegt – so berichtete es jedenfalls die Washington Post. Und viele, sehr viele Journalisten übernahmen diese Darstellung. Der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen verbreitete den Text auf Twitter. Das Problem dabei: Der Artikel und die ihm zugrunde liegende Studie sind so unsauber und fragwürdig, dass sie selbst schon die Kriterien für „Fake News“ erfüllen.

Die Geschichte könnte eine Satire sein, so überspitzt, ja überdreht hört sie sich an. Dabei ist ihr Kern eigentlich unstrittig und beschreibt ein Problem der Medien insgesamt: Immer mehr Nachrichten werden von Journalisten ungeprüft weiterverbreitet. Was immer in das eigene Raster passt, die eigenen Vorurteile bestätigt, das wird – nicht nur von Lesern, sondern eben auch von Zeitungsredakteuren – begierig aufgegriffen und geteilt. Die Gesellschaft trennt sich mehr und mehr in verschiedene Filterblasen, die separat wachsen und sich voneinander entfernen. Es entstehen Weltbilder, so unterschiedlich und unversöhnlich, dass ein sinnvoller Austausch zwischen den Lagern immer unmöglicher wird. Helfen würde ein Innehalten, Reflektieren und Hinterfragen der eigenen Position, doch das scheint nur den Wenigsten zu gelingen – gerade auch im medialen Mainstream, wo die Feindbilder von Trump bis Putin mittlerweile so klar und in Stein gemeißelt erscheinen, wie zuletzt zur Zeit des Senators Joseph McCarthy.

Nervosität und Panik sind offenbar der neue Grundzustand. Viele Medienschaffende sehen sich als „das Gute“ wollende Aufklärer, oder doch zumindest als Menschen, die mit aller Macht eine drohende Katastrophe abwenden möchten. Immer lauter rufen sie an gegen den Sturm, der aus der gegnerischen Filterblase – oder überhaupt von außen – zu ihnen dringt. In der FAZ beschrieb es ein kluger Kommentator am Wochenende so:

„Es muss konsequent auf die absolute Richtigkeit der eigenen Ansichten gesetzt werden, denn alles andere hilft nur der Finsternis. Und es muss mehr davon werden, es muss besser erklärt werden, die eigene Richtigkeit soll überall stehen und allen verfügbar sein. Die Medien hatten die richtige Einstellung, die Medien sind die Wahrer des Lichts, nichts ist falsch an den Medien, und wenn man noch mehr sagt, werden es alle hören und richtig finden. Weil: Aufklärung! Ich habe hier einige Klassiker der Aufklärung im Original, und die lesen sich sehr viel ambivalenter und charmanter. Das mag daran liegen, dass Diderot, Voltaire und viele andere gerade einer Epoche entkommen wollten, in der es nur eine einzige, absolut wahre Wahrheit gab, nämlich die katholische Kirche, die mit allen Mitteln radikal durchgesetzt wurde: Voltaire musste selbst noch erleben, dass ein Leser seines philosophischen Wörterbuchs hingerichtet wurde. Ich möchte die modernen Autoren mit ihrem absoluten Wahrheitsanspruch nicht in der Tradition dieser Aufklärung verorten.“

Vor diesem Hintergrund bildet der eingangs erwähnte Artikel in der Washington Post einen neuen Höhepunkt von „Aufklärung“, die sich von derjenigen Propaganda, welche sie kritisiert, selbst kaum unterscheidet. In dem Beitrag wird behauptet, dass eine Flut von „Fake News“ in US-Onlinemedien gezielt durch Russland koordiniert worden sei und Moskau damit die Präsidentschaftswahl zugunsten von Donald Trump beeinflusst habe.

An dieser Einschätzung sind zunächst zwei Dinge problematisch. Zum einen liefert die Washington Post keinerlei konkrete Beweise für eine tatsächliche Steuerung von „Fake News“ durch Russland. Die Kernaussage bleibt eine Spekulation. Zum anderen ist unklar, ob mit dem Begriff „Fake News“ in diesem Zusammenhang ausschließlich Lügen und Manipulationen gemeint sind, oder ob auch Kritik an Hillary Clinton und an einem Konfrontationskurs gegenüber Russland darunter fallen.

Worauf stützt sich nun die Washington Post? Zitiert wird im Artikel vor allem eine Studie „unabhängiger Forscher“ einer bislang in der Öffentlichkeit nicht bekannten Gruppe namens „PropOrNot“ (Propaganda or not). Diese „Forscher“ treten nicht mit Namen auf, sondern bleiben vollständig anonym, um, so die Washington Post, „den Heerscharen russischer Hacker kein Ziel zu bieten“. Die Studie selbst war zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels zudem nicht öffentlich publiziert. Der Artikel erschien am Donnerstag letzter Woche, die Studie wurde erst am Samstag online gestellt. Somit konnte bei Erscheinen des Artikels kein Journalist außerhalb der Washington Post die Informationen selbst überprüfen. Jeder, der zeitnah darüber schrieb, war darauf angewiesen, der Washington Post in ihrem Urteil zu vertrauen. Dieses Vertrauen erwies sich als Fehler. Denn die Studie der anonymen Autoren ist, wie sich nun nach der Veröffentlichung zeigt, nicht einfach nur handwerklich schlecht, parteiisch oder fehlerhaft, sondern von seriöser Forschung ungefähr so weit entfernt, wie ein Graffiti von einer Diplomarbeit.

„PropOrNot“ hat selbst auch gar nichts „erforscht“ sondern im Kern lediglich eine Liste aus 200 vermeintlichen „Fake News“-Webseiten zusammengestellt. Diese Liste nun, und das ist die eigentliche Pointe, umfasst nahezu das gesamte alternative Nachrichtenspektrum der USA – von links bis libertär und konservativ. Alle 200 genannten Webseiten, darunter so populäre wie Counterpunch, Zero Hedge, Truthout und Wikileaks sind, so die Washington Post, sämtlich Verbreiter „russischer Propaganda“. Das ist in dieser Pauschalisierung ebenso lächerlich, wie maßlos und wird durch die anonymen „Forscher“ auch durch nichts weiter belegt. Der Gruppe geht es erkennbar vor allem um das Erstellen und Verbreiten dieser Liste mit auszugrenzenden Alternativmedien. Mehr oder weniger alles außerhalb der Leitmedien ist demnach „Lüge“ und „Propaganda“. „PropOrNot“ stellt dabei klar, dass nicht alle 200 Webseiten zwingend durch Russland gesteuert würden, viele seien einfach „nützliche Idioten“ für Moskau, die ihre eigene Instrumentalisierung gar nicht bemerkten. Durch diese Rhetorik entzieht sich die Gruppe von vornherein einer aufwändigen Beweisführung.

Die Gruppe versucht dabei nicht nur, alternative Medien pauschal als unseriös auszugrenzen, sondern sie hat auch eine sehr konkrete außenpolitische Agenda. So heißt es auf ihrer Webseite, Russland solle umgehend „für mindestens ein Jahr vom internationalen Finanztransaktionssystem SWIFT abgeschnitten“ werden, als „angemessene Reaktion auf die russische Manipulation der Wahl“.

Der Autor des Artikels in der Washington Post, Craig Timberg, wie auch die Zeitung insgesamt, waren zuvor bereits durch ähnlich „gründlich“ recherchierte Texte in Zusammenhang mit Russland und der US-Wahl aufgefallen. So veröffentlichte man dort im August einen Beitrag, der in der Überschrift markig verkündete, dass „russische Hacker“ Wahlcomputer in Arizona „ins Visier genommen“ hätten. Im Artikel selbst wurde diese Behauptung dann allerdings nicht belegt, dort hieß es stattdessen bloß: „FBI-Ermittler legten sich nicht fest, ob die Hacker Kriminelle waren oder von der russischen Regierung beauftragt wurden.“ An diesen Artikel knüpfte Craig Timberg an, der schon am nächsten Tag verkündete, „wie russische Hacker tatsächlich eine US-Wahl kippen könnten“ und dabei darauf verwies, das man inzwischen ja schon über das „russische Eindringen in Wahlcomputer“ berichtet habe. Dass es sich dabei lediglich um Vermutungen ohne Beleg handelte, kam nicht mehr vor. Genau so, darf man sagen, entstehen „Fake News“.

Timberg selbst bleibt zu seinen aktuellen „Enthüllungen“ im Nachhinein schmallippig und beantwortete kritische Fragen der Kollegen des Onlinemediums „The Intercept“ nur mit einem ebenso kurzen wie hilflosen: „Tut mir leid, ich kann Artikel, die ich für die Post geschrieben habe, nicht kommentieren.“

Das Ganze wäre in seiner Absurdität eigentlich zum Lachen, wenn nicht so viele einflussreiche Journalisten und Politiker das groteske Theater tatsächlich für bare Münze nehmen würden und ihr Handeln danach ausrichteten. Wenn CDU-Fraktionschef Volker Kauder aktuell in einem Gastbeitrag in der WELT wütend fordert, dass mit „Freiheit Schluss“ sei, „wenn das Netz weiter lügt“, dass an „Rechtsverschärfungen kein Weg vorbei“ führe und man auch diskutieren müsse, ob Facebook und Co. „nicht mehr tun müssen, um das Netz nicht nur von rechtswidrigen Inhalten frei zu halten, sondern von Lügen generell gerade in der politischen Debatte“ – dann wird es seltsam. Wenn Facebook tatsächlich bald nicht mehr nur strafrechtlich relevante Äußerungen aller seiner Nutzer löschen soll, sondern auch deren „Lügen“ – dann ist klar, dass es dazu einer zentralen Instanz bedarf, die in allen Fragen entscheidet, was „Wahrheit“ ist. Da wären wir dann direkt bei George Orwell und dem „Wahrheitsministerium“ aus seinem Roman „1984“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich in ihrer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag in der vergangenen Woche vorsichtiger, aber in ähnlicher Richtung. Es gebe heute Medien, „die weniger kontrolliert sind“, womit man sich „auseinandersetzen“ müsse, nicht zuletzt aus „Sorge um Stabilität“. Der Geist des „vormundschaftlichen Staates“ – eine Parole der DDR-Bürgerrechtsbewegung von 1989 – ist offenbar wieder da. Dazu passt auch die aktuelle Ankündigung des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius, man brauche in Deutschland für Journalisten einen neuen „offiziellen Presseausweis“, der Behörden garantiere, „einen professionellen Berichterstatter vor sich zu haben“. Der neue Ausweis solle „von anerkannten Stellen“ vergeben werden.

Der CSU-Politiker Stephan Mayer fordert inzwischen einen Straftatbestand für Desinformationskampagnen im Internet. Dafür fehle die rechtliche Grundlage für eine Strafverfolgung, sagte Mayer dem „Tagesspiegel“. Mayer, Sprecher der Arbeitsgruppe Inneres der Unionsfraktion, erklärte:

„Damit müssen wir uns dringend auseinandersetzen und einen entsprechenden Straftatbestand schaffen.“

Es geht, soviel ist klar, um Deutungshoheit. Die Etablierten wollen selbst, ohne Störungen durch andere, entscheiden, was Wahrheit ist und wer ein Journalist. Da sie sich dazu offenbar selbst in immer stärkerem Maße der Propaganda bedienen, schwindet ihre Glaubwürdigkeit weiter, was wiederum den Druck erhöht, die öffentliche Meinung „unter Kontrolle“ zu halten. Es entsteht ein Teufelskreis, eine wahnhafte, gespenstische Inszenierung, in deren derzeitigem Akt die Chefpropagandisten selbst sich zu Kämpfern für die reine Wahrheit stilisieren. Das Publikum wird für diese Aufführung kaum Beifall spenden.

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