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Als Gegengewicht zu den USA: Russland setzt auf dauerhafte Militärpräsenz im Mittelmeer

Als Gegengewicht zu den USA: Russland setzt auf dauerhafte Militärpräsenz im Mittelmeer
Russisches Kriegsschiff durchquert auf dem Weg ins Mittelmeer den Bosporus

Nachdem die Syrien-Mission die Aussichten auf ein Ende des Krieges vergrößert hat, sucht Moskau im Mittelmeer nach weiteren Verbündeten. Russland will eine dauerhafte Militärpräsenz in der Region schaffen, nachdem die ehemalige UdSSR dort alle Posten aufgegeben hatte.

Die Russische Föderation arbeitet zurzeit daran, ihre Beziehungen zu einigen Staaten am Mittelmeer zu verbessern. Die Zerstrittenheit in der Europäischen Union und die unbestimmte Situation in den Vereinigten Staaten seit Donald Trump spielen Russland dabei in die Hände. Dies schreibt der wöchentlich erscheinende französische Newsletter im Bereich Verteidigung und Strategie, Très Très Urgent (TTU).

Moskau strebe derzeit an, einen Zugang zu Kriegsmarinehäfen in Libyen und Ägypten zu bekommen. Dies zeuge von der Bereitschaft des Landes, einst verlorene Positionen im Mittelmeer wiederherzustellen. Warum ist es für Russland so wichtig, seinen Einflussbereich in Nordafrika zu erweitern?

Laut TTU hat Russland in den letzten Jahren Bündnisse geschlossen, um seinen Einfluss im Nahen Osten zu festigen. Moskau baute die militärisch-technische Zusammenarbeit mit Staaten wie Syrien, Ägypten, Algerien, Libyen und Marokko sehr aktiv aus. Im Tausch gegen Waffenlieferungen sind diese Nahost-Staaten bereit, Schiffen der russischen Kriegsmarine einen uneingeschränkten Zugang zu ihren Häfen zu ermöglichen”, berichtet das französische Portal.

Außerdem führt die russische Führung den Angaben von TTU nach zurzeit Verhandlungen über die Möglichkeit, seine Flottenflugzeuge auf Militärflughäfen zu stationieren. Eine der Flugbasen, an denen Moskau interessiert sei, befindet sich in der ägyptischen Stadt Sidi Barrani.

Das Newsportal gibt keine Information über genauere Bedingungen, die vonseiten der Russischen Föderation gestellt werden, betont aber, dass Moskau nicht vorhabe, Basen zu mieten. Die Infrastruktur der oben genannten Länder solle nur zum Parken und Auftanken genutzt werden. Falls die Gespräche für Russland erfolgreich verlaufen, erhalte es die Möglichkeit der dauerhaften Anwesenheit seiner Flotte im Mittelmeer, also eine Position, die die Sowjetunion bei ihrer Auflösung aufgegeben hatte.

Très Très Urgent schließt nicht aus, dass Russland sein angestrebtes Ziel erreichen wird. Die Grundlage für den zukünftigen militärisch-diplomatischen Erfolg seien die guten Beziehungen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ägyptischen Staatsmann Abd al-Fattah as-Sisi.

Gleichzeitig stelle Moskau zurzeit seine Verbindungen zu Tripolis wieder her, indem es, so die Darstellung der französischen Analytiker, dem Oberbefehlshaber der libyschen Streitkräfte, General Chalifa Haftar, Waffenlieferungen im Wert von 1,5 Milliarden Euro verspricht – inklusive Flugzeuge, Panzer und Einrichtungen der Luftabwehr.

Absicherung vor Umständen höherer Gewalt

Die Wiederherstellung der Anwesenheit im Mittelmeer ist eine der Aufgaben, die in der aktuellen Meeres-Doktrin Russlands vom Juli 2015 aufgelistet sind. Im Mittelmeer: Gewährleistung einer ausreichenden permanenten Anwesenheit der Kriegsflotte der Russischen Föderation in der Region”, heißt es im Dokument.

Auffällig ist, dass die Meeres-Doktrin zwei Monate vor Beginn des russischen Einsatz in Syrien aktualisiert wurde. Im dortigen Kampf gegen Terroristen gewährleistet die russische Kriegsflotte Deckung durch Luftoperationen und beschießt Bodenziele mithilfe von Marschflugkörpern und Flottenflugzeugen. Eine weitere Aufgabe ist es, die Fortbewegung der NATO-Schiffe in der Region im Auge zu behalten.

Der Wachdienst an der Küste der Syrischen Arabischen Republik verläuft nach dem Rotationsprinzip, das heißt, dass russische Schiffe und U-Boote sich de facto rund um die Uhr im Mittelmeer befinden.

Zu erwähnen ist zudem, dass die vorläufigen Absprachen über den Zugang der russischen Schiffe zu den Häfen der oben genannten Staaten den Vorbereitungsprozess für dauerhafte Überseefahrten deutlich erleichtern. Dies liegt daran, dass die russische Militärflotte dadurch die Möglichkeit erhält, ihre Schiffe in fremden Häfen zu reparieren und zu betanken.

Moskau wäre zwar in der Lage, darauf zu verzichten, für die Absicherung gegen Umstände höherer Gewalt ist es jedoch sehr wünschenswert, über solche Gestaltungsmöglichkeiten zu verfügen. Als Umstände höherer Gewalt sind vor allem Unfälle gemeint, die fernab der Heimathäfen passieren können. Zu ihnen werden zum Beispiel die Beschädigung von Treibstofftanks von Kriegsschiffen oder Unfälle auf Tankschiffen gerechnet. Daher ist es kein Zufall, dass Moskau Gespräche mit Marokko, Algerien, Libyen und Ägypten führt.

Der Sicherheit wegen

Nach dem Zerfall der UdSSR blieb Russland im Mittelmeer bloß ein Versorgungspunkt für die russische Kriegsmarine im syrischen Tartus. Mit dem Beginn des Kriegseinsatzes Russlands in Syrien musste dieser Hafeneinschnitt aber in einen modernen Flottenstützpunkt umgebaut werden. Am 18. Januar haben Damaskus und Moskau ein Abkommen unterzeichnet, das Russlands Marine eine gleichzeitige Stationierung von bis zu elf Schiffen in Tartus ermöglicht.

Experten sind sich einig, dass die Russische Föderation sich auf den Hafen als Schlüsselstandpunkt im Mittelmeer festgelegt hat. Im letzten Jahr wurden nicht weit von diesem Stützpunkt entfernt russische Systeme zur elektronischen Kampfführung vom Typ Krasucha sowie Systeme der Luftabwehrraketen S-300W4 stationiert, die den Hafen vor Angriffen aus der Luft schützen sollen. Analytiker schließen nicht aus, dass Moskau noch weitere Luftabwehrraketensysteme nach Tartus verlagern wird.

Außerdem könnten ihnen noch Waffensysteme der Küstenwache wie K-300 Bastion und 3K60 Bal folgen, ohne die ein vollständiger Schutz vor Angriffen vonseiten des Meeres nicht möglich sei. Ein weiteres Waffensystem, das zum Schutz des Stützpunktes aufgestellt werden kann, ist die Iskander, eine taktische ballistische Boden-Boden-Rakete, die in der Lage ist, große Boden- und Wasserziele des Feindes zu vernichten.

Die Verstärkung der Angriffskomponente sowie die Möglichkeit der Stationierung von Kriegsschiffen in Nahost-Häfen sind von entscheidender Bedeutung, um die Sicherheit der russischen Kriegsmarine aufrechterhalten zu können. Im Mittelmeer sind die Kräfte Russlands und der NATO mehr als ungleich verteilt.

Als Gegengewicht zu den USA

Russlands Kriegsmarine verfügt über 30 große Kriegsschiffe, 21 Landungsschiffe und über 50 U-Boote, von denen 16 mit ballistischen Raketen und 15 mit Marschflugkörpern ausgerüstet sind.

Allerdings können die russischen Marinestreitkräfte heute nur ungefähr 20 Schiffe an Syriens Küste konzentrieren. Hauptsächlich sind das Schiffe und U-Boote der Schwarzmeerflotte. Ein Geschwader der Nordflotte beizuschaffen, würde ohne rechtzeitige Vorbereitung mindestens zwei bis drei Wochen dauern und könnte hypothetisch in der Nordsee oder im Ärmelkanal blockiert werden.

Der Historiker und Militärexperte Wadim Solowjow unterstrich, dass Moskau vor allem aus der Zusammenarbeit mit Kairo und Tripolis einen immensen militärisch-politischen Nutzen zieht:

„Ägypten und besonders Libyen sind durch den “Frühling”, hinter dem die USA stehen, zu Schaden gekommen. Ich denke, dass die heutigen Regierungen sich daran erinnern und Russland als Gegengewicht zur US-amerikanischen Hegemonie begrüßen.“

Der Analyst merkte an, dass sich die Position der russischen Kriegsflotte im Mittelmeer stark festigen wird, falls Absprachen in den Gesprächen erreicht werden können, über die TTU schreibt. Neben der Festigung seiner Positionen bekomme Russland außerdem eine weitere Möglichkeit, Druck auf die NATO auszuüben.

Man sollte darauf hinweisen, dass Russland keine dauerhaften Militärbasen im Nahen Osten einrichten will, da dies zu Spannungen in den Beziehungen zur NATO führen und außerdem von Russland riesige finanzielle Ressourcen erfordern wird. Für unseren Befehlshaber ist es ausreichend, zu wissen, dass, falls es nötig werden sollte, die Schiffe unserer Kriegsflotte immer die Möglichkeit haben werden, in uns freundlich gesinnte Häfen einzulaufen und dort um Hilfe zu bitten”, sagte Solowjow.

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