Deutschland

„Glanzleistung“: Joschka Fischer lobt Angela Merkel über den transatlantischen Klee

„Glanzleistung“: Joschka Fischer lobt Angela Merkel über den transatlantischen Klee
Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen), früher gab es Haue für Polizisten. Heute Streicheleinheiten für die Bundeskanzlerin

Früher demonstrierte er unter anderem für die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. Doch nicht erst seit seiner Zeit als Außenminister ist so einiges anders geworden. In einem Artikel für die Süddeutsche Zeitung lobt Fischer nun die Bundeskanzlerin – für ihre Bierzelt-Rede.

Von Timo Kirez

So eine Karriere muss man erst einmal hinbekommen. Von einem ehemaligen Sponti und Revoluzzer, gegen den auch schon mal wegen Landfriedensbruch, versuchten Mordes und Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wurde, bis hin zu Amt und Würden als Bundesaußenminister und Gastredner bei Barclays Capital und Goldman Sachs. Mittlerweile ist Joschka Fischer auch als Unternehmer unterwegs. In „strategischer Partnerschaft mit der Albright Stonebrigde Group“, der Consulting-Firma der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright, bietet Fischer zusammen mit dem Ex-Pressesprecher der Grünen im Bundestag, Dietmar Huber, einen besonderen Service an:

„Wir helfen Unternehmen und Institutionen geopolitische Herausforderungen zu überblicken und im komplexen Umfeld der Globalisierung die richtigen Entscheidungen zu treffen,“

heißt es auf der Homepage der Joschka Fischer & Company. Doch die unternehmerischen Pflichten scheinen Fischer nicht davon abzuhalten, sich hin und wieder doch ins politische Tagesgeschehen einzumischen. In seinem jüngsten Beitrag für die Süddeutsche Zeitung unter dem Titel, „Der Geist von Trudering“, erfreut sich Fischer an einer Rede, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Bierzelt im Münchener Vorort Trudering gehalten hat. Für besondere Aufmerksamkeit hatte folgende Passage in Merkles Rede gesorgt:

„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei und deshalb kann ich nur sagen, wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“

Eine Formulierung, die als ein Kommentar auf die neue Ausrichtung der USA unter Präsident Trump verstanden wurde. Fischer hat offenbar nach dieser Rede Schmetterlinge im Bauch. Denn er fragt sich:

ob es am Ende der Heilige Geist gewesen war, der die Rednerin zu ihrer Glanzleistung beseelt hatte.“

Oder doch nur

„das längere Beisammensein mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump.“

In vielen Medien wurde die Rede Merkels als eine Art Ankündigung für eine außenpolitische Wende verstanden. Europa solle gestärkt werden und eigenständiger in der Welt auftreten. Dazu passte auch ein Artikel des US-Außenpolitikmagazins “Foreign Policy”, der im Mai erschien, und in dem es heißt, “Deutschland baut heimlich eine europäische Armee unter seiner Kontrolle.” Zwar interpretiert auch Fischer die Rede Merkels in Richtung einer Distanznahme zu den USA, doch einen Bruch in den transatlantischen Beziehungen sieht er nicht. Es sei nicht der „Beginn der Abkehr Deutschlands vom Transatlantismus“ und „eine strategische Achsenverschiebung und Neuausrichtung des Landes.“

Laut Fischer versuche Merkel nicht, „ein starkes transatlantisches Bündnis infrage zu stellen“, sondern es gehe ihr vielmehr „um die Stärkung Europas.“ Wenn sich „die globale Führungsmacht USA“ aus ihrer Rolle verabschiede, könne keine andere Führungsmacht an ihre Stelle treten. Es entstehe vielmehr „ein globales Machtvakuum und Chaos“, schreibt Fischer. Diese Entwicklung werde die Europäer

zusammenzwingen, wenn sie ihre Interessen verteidigen wollen, um die sich andere nur schwerlich kümmern werden. Insofern zielt die Rede der Kanzlerin vor allem in Richtung einer Stärkung Europas.“

Zudem ergebe sich mit der Wahl Emmanuel Macrons zum französischen Präsidenten für Merkel „eine unverhoffte Chance zur Erneuerung der EU.“ Es gehe neben der Stabilisierung der Währungsunion und der Förderung von Wachstum innerhalb der EU, auch darum

„die europäische Sicherheit unter Einschluss der inneren Sicherheit zur Abwehr des Terrorismus und des gemeinsamen Schutzes der Außengrenzen und einer neuen Flüchtlingspolitik der EU zu stärken.“

Auch sei nicht alles falsch, was Donald Trump sage, so Fischer. Doch:

„Europa und Deutschland werden zukünftig wesentlich mehr für ihre eigene Sicherheit tun müssen.“

Und er fügt hinzu:

„Und wir sollten gemeinsam als Europäer auch an unserem liberalen westlichen Wertefundament festhalten, um das uns andere beneiden oder weswegen sie uns auch verachten oder sogar hassen.“

Fischer, der unter anderem auch Gründungsmitglied und Vorstand des „European Council on Foreign Relations“ ist, das von dem Milliardär und Mäzen George Soros finanziert wird, schlägt mit dieser Einschätzung in dieselbe Kerbe wie zum Beispiel F.A.Z.-Mitherausgeber Berthold Kohler. Kohler hatte bereits im November 2016, noch vor Amtsantritt von Donald Trump, die Marschrichtung inklusive atomarer Bewaffnung der Bundesrepublik vorgegeben:

„Höhere Ausgaben für die Verteidigung, die Wiederbelebung der Wehrpflicht, das Ziehen roter Linien – und das für deutsche Hirne ganz und gar Undenkbare, die Frage einer eigenen nuklearen Abschreckungsfähigkeit, welche die Zweifel an Amerikas Garantien ausgleichen könnte.“

Als Außenminister während der rot-grünen Bundesregierung führte Fischer deutsche Bodentruppen mit der Beteiligung am Kosovokrieg erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg in einen Kriegseinsatz. Später, ab 2001 und 2002, beteiligte sich die Bundeswehr auch am Krieg in Afghanistan. Nun also eine Zuwendung zu Europäischer und damit auch Deutscher Machtpolitik unter dem Vorwand schwindender US-amerikanischer Präsenz. Ganz gleich, wie der Zeitgeist weht, Fischer, so scheint es, ist immer in vorderster Front dabei.

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