Deutschland

Ehemaliger Verfassungsschutz-Chef: „AfD-Beobachtung ist rechtswidrig und amtsanmaßend“

Ehemaliger Verfassungsschutz-Chef: „AfD-Beobachtung ist rechtswidrig und amtsanmaßend“
AfD-Politiker Björn Höcke und Alexander Gauland

Die AfD gewinnt unaufhörlich an Zulauf – deshalb muss sie bekämpft werden. Hierzu gehört auch der Ruf nach dem Verfassungsschutz. Dies soll beim Bürger den Eindruck erwecken, als sei hier ein finsteres Gewerbe am Werke, dem man nach Recht und Gesetz den Garaus ausmachen muss. Mit anderen Worten: Den Wählern soll signalisiert werden, dass die Partei für anständige Deutsche unwählbar ist. Der ehemalige Verfassungsschutz-Chef von Thüringen, Helmut Roewer, hält den ausgerufenen Prüffall und die Beobachtung der AfD für rechtswidrig und wirft den Altparteien außerdem Amtsanmaßung vor.

von Dr. Helmut Roewer

Mitte Januar 2019 trat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vor die Presse und machte Ausführungen zur Tätigkeit seiner Behörde bezüglich der AfD. Unter anderem teilte er sinngemäß mit, dass die Partei „als Prüffall geführt“ werde. Die zum Vortrag gebrachten Erwägungen halte ich für rechtswidrig, die öffentliche „Einstufung“ für eine Amtsanmaßung.

Zur politischen Rolle der AfD: Sie hat in den vergangenen Jahren Millionen von Wähler angezogen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Massenzulauf andauern wird. Hierfür gibt es einen schlichten Grund: Die AfD ist die einzige Partei in der Bundesrepublik, die den Erhalt des deutschen Nationalstaats in den Fokus ihrer politischen Absichten gerückt hat. Die anderen Parteien hierzulande sehen diese Angelegenheit durchweg anders. Durch die Nicht-Zentrierung auf den deutschen Nationalstaat erwecken sie bei sehr vielen Deutschen die Befürchtung, dass sie der Auflösung der Bundesrepublik das Wort reden. Es wird hier nicht diskutiert, ob das tatsächlich der Fall ist. Es lässt sich aber nicht bestreiten, dass ein solcher Eindruck entstanden ist. Indem sie hier politisch gegenhält, hat die AfD ein Thema besetzt, das ihr den Zulauf beschert.

Alle anderen Parteien bekämpfen die Alternativen. Das ist im Parteienstaat, zu dem sich Deutschland entwickelt hat, legitim, und angesichts der zunehmenden Sympathien für die AfD auch wenig erstaunlich. Obwohl sämtliche Konkurrenten an einem Strang ziehen, erzielen sie offenbar nicht nur nicht den gewünschten, sondern vielmehr einen gegenteiligen Effekt. In den parteipolitischen Stellungnahmen zur AfD hat deswegen – leicht nachvollziehbar – die Schärfe zugenommen. Hierzu gehört auch der Ruf nach dem Verfassungsschutz. Dies soll beim Bürger den Eindruck erwecken, als sei hier ein finsteres Gewerbe am Werke, dem jetzt nach Recht und Gesetz der Garaus zu machen sei. Mit anderen Worten: Dem Wahlbürger soll signalisiert werden, die AfD sei für anständige Deutsche unwählbar. Das in etwa ist die politische Schlachtordnung.

Zur Rechtsposition der AfD: Sie ist eine politische Partei. Sie ist – abweichend zu dem, was immer wieder zu hören ist – keine zugelassene Partei, denn Parteizulassungen gibt es in Deutschland nicht. Ihr Recht auf Existenz ergibt sich unmittelbar aus Artikel 21 des Grundgesetzes. Dort ist auch der Rahmen für eine mögliche Bekämpfung durch den Staat festgelegt. In der Auseinandersetzung zwischen Staat und Partei gibt es eine einzige zulässige Maßnahme: das Parteiverbot. Dieses auszusprechen, ist allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Diese Sonderstellung gegenüber sonstigen Vereinigungen nennt man Parteienprivileg.

Hiermit kollidiert die Rolle des Verfassungsschutzes. Das kommt daher, weil sich ab den 1960er Jahren die Rechtsauffassung durchzusetzen begann, dass die Beobachtung durch einen staatlichen Nachrichtendienst einen schweren Eingriff in die Rechte der betroffenen Personengruppe und ihrer Mitglieder darstellt. Denkt man diesen Gedanken konsequent zu Ende und vergleicht ihn mit dem Parteienprivileg, wären eine nachrichtendienstliche Beobachtung von Parteien und das regierungsamtliche öffentliche Reden hierüber verfassungswidrig. Die Bundesregierung hat demgegenüber über Jahrzehnte die gegenteilige Auffassung vertreten. Die seit 1968 erschienenen Verfassungsschutzberichte geben hierüber Jahr für Jahr Auskunft.

Meines Wissens ist diese Frage niemals höchstrichterlich entschieden worden. Nur einmal erreichte die NPD wegen der Nennung im Verfassungsschutzbericht des Bundes das Bundesverwaltungsgericht und scheiterte. Man sollte zwar für die deutsche Rechtsprechung keine Prognosen abgeben, aber ich nehme an, dass die AfD vor Gericht scheitert, wenn sie sich allein auf die potentielle Rechtsverletzung des Parteienprivilegs (= Verbot der Beobachtung) stützen würde. Der Grund hierfür ist simpel: Die Richterschaft in Karlsruhe ist ein Spiegel der etablierten Parteien. Sie alle sind sich – zum Teil aus Existenzangst – einig, dass die AfD mit allen Mitteln zu bekämpfen sei. Damit ist der Fall jedoch nicht vom Tisch.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Prüffall

Zunächst eine wichtige Gesetzesformalie: Mit der Verkündung eines Prüffalls hat der BfV-Präsident ein Instrumentarium in die Debatte eingeführt, das ihm rechtlich nicht zusteht. Ein solcher kommt – anders als bei jeweiligen Landesverfassungsschutzgesetzen – im Bund jedoch nicht vor. Bei der grundlegenden Neufassung des Bundesverfassungsschutzgesetztes, an der ich in den Jahren 1987 bis 1989 als zuständiger Referent des Bundesinnenministeriums beteiligt war, wurde die Frage des Prüffalls ausdrücklich verworfen: Der Inlandsnachrichtendienst mit dem Aufgabenkatalog des Verfassungsschutzes betrachtet die politische Lage der Bundesrepublik insgesamt. Gibt es hierbei den Verdacht für gesetzeswidrige Bestrebungen oder Tätigkeiten, werden gezielt Informationen hierüber beschafft. Noch einmal: Einen irgendwie gesetzlich möglichen oder gar nötigen Prüffall gibt es nicht. Von daher stellt seine öffentliche Verkündung einen Rechtsverstoß, die Anmaßung einer nicht vorhandenen Kompetenz dar. Ein Handeln ohne gesetzliche Eingriffsermächtigung ist rechtswidrig.

Was das BfV mit den von ihm gesammelten Informationen tun darf, insbesondere an wen es diese weiterreichen kann, ist dezidiert im Bundesverfassungsschutzgesetz normiert. Dieses regelt auch – und zwar abschließend in § 18 Absatz 1, – welche seiner Informationen an die Öffentlichkeit gegeben werden dürfen:

(1) Das Bundesamt für Verfassungsschutz informiert die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Absatz 1, soweit hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorliegen, sowie über präventiven Wirtschaftsschutz.

Die Information der Öffentlichkeit beschränkt sich also ausdrücklich auf solche Fälle, in denen das BfV nachweisen kann, dass einschlägig verfassungsfeindliche Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen – und diese gewichtig sind: schweres Geschütz in schweren Fällen. Im Umkehrschluss: Fröhliche Ausführungen in neudeutschem Politblabla, dass man jetzt mal genau hinsehen möchte, sind dem BfV versagt. Hierfür gibt es gute Gründe. Das öffentliche Palaver über Dienstinterna kommt einer Vorverurteilung gleich. Rechtlich korrektes Verhalten sieht anders aus, denn das BfV darf nur an die Öffentlichkeit, wenn es Gesichertes weiß, das Wissen einschlägig und gewichtig ist.

Bekenntnis zum Deutschsein als Verfassungsfeindlichkeit

Ich habe mit Verblüffung aus den Ausführungen des BfV-Präsidenten herausgehört, dass er eine Verbindungslinie zwischen Verfassungsfeindlichkeit und dem Bekenntnis zum Deutschsein zieht. Jemanden zum Beobachtungsfall zu erklären, der mahnend darauf hinweist, dass bestimmte Personen innerhalb der Staatsorgane sich zum Ziel gesetzt haben, den deutschen Staat aufzulösen, bedeutet, den Verteidiger mit dem Angreifer zu verwechseln und umgekehrt. Es mag heutzutage ungewöhnlich sein, wenn etwa Höcke und seine Mannen sich am Kyffhäuser versammeln und dort Deutschland hochleben lassen. Ein Angriff auf den deutschen Staat ist das nicht. Seit der Romantik ist der Kyffhäuser ein Symbol des deutschen einheitlichen Staates (für manche auch des Reiches). Aber das ist ebenso wenig verfassungsschutzrelevant wie der Umstand, dass der Bundestag im Reichstag tagt. Sogenannte Gegendemonstranten sehen das anders. Sie versuchen, solche Veranstaltungen mit Sprechgesängen à la „Deutschland verrecke!“ zu verhindern. Es sind jene Leute, die ungezwungen Platz auf den Rängen der deutschen Staats- und Verfassungsfeinde finden.

Islamfeindlichkeit hat den Verfassungsschutz nicht zu interessieren

Eine kritische bis feindselige Haltung zum Islam – ich spreche nicht vom Anzünden von Gotteshäusern – ist nichts, was den Verfassungsschutz zu interessieren hat. Der deutsche Staat ist, jedenfalls soweit er sich auf preußische Traditionen stützt, religionsneutral. Jeder kann nach seiner Fasson selig werden, wie Friedrich der Große ebenso spitzzüngig wie weise bemerkte. Eine Gesamtschau des Grundgesetzes bestätigt diese Weisheit. Derjenige, der mitteilt, dass er den Islam partout nicht leiden mag, kann sich auf ein sehr spezielles Grundrecht berufen: auf die Religionsfreiheit nach Artikel 4 GG. Dieser beinhaltet nicht nur die Möglichkeit, an einen bestimmten Gott zu glauben, sondern auch, das Gegenteil für unumstößlich zu halten. Hier den Richter zu spielen, ist nicht Sache des Staates. Ob diese Kenntnis auch im zunehmend muslimischen Köln vorhanden ist, wage ich zu bezweifeln.

Schlussbetrachtung: „Nun sind sie halt mal da,“ wird unsere Kanzlerin angesichts der von ihr illegal ins Land geholten Orientalen tausendfach zitiert. Ich rate allen plötzlichen Verfassungsschutz-Freunden, diesen Satz auch auf die Alternative für Deutschland und ihre Mitglieder anzuwenden. Diese haben im Gegensatz zu jenen den Vorzug, dass sie völlig legal hier sind.

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