Deutschland

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: Die Welt beneidet uns um unsere Regierung

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: Die Welt beneidet uns um unsere Regierung
Ursula von der Leyen und Angela Merkel

Thema des Abends mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als “Stargast” sollte Cybersecurity sein. Nach desaströsen Ergebnissen der Volksparteien bei der EU-Wahl kamen aber auch Rezo und die GroKo zur Sprache, mit aufschlussreichen Äußerungen der Ministerin.

von Zlatko Percinic

Die WirtschaftsWoche (WiWo) lud am Montagabend in Berlin zum Clubgespräch in der Kalkscheune, in kleiner Runde versteht sich. Thema des Abends war die “Verteidigung in Zeiten von Cyberwars: Was Bundeswehr und Wirtschaft leisten können” und die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sollte sich dazu den Fragen des WiWo-Chefredakteurs Beat Balzli und seiner Kollegin Elisabeth Niejahr stellen.

Allerdings gingen die ersten Fragen dann doch in eine andere Richtung, weil sie auch nach den EU-Parlamentswahlen viele Menschen in Deutschland nach wie vor beschäftigen. Wie konnte ein Video des YouTubers Rezo die CDU dermaßen erschüttern, lautete eine der Fragen. Man merkte an der Art und Weise, wie die Ministerin umgehend eine Antwort parat hatte, dass von der Leyen sich auf diese Frage vorbereitet hatte. Die “strategische Kommunikation ist ziemlich schiefgelaufen von unserer Seite”, sagte sie selbstbewusst. Die CDU sei “auf dem linken Fuß” erwischt worden, doch “manchmal muss man es auf die harte Tour lernen” und “wir haben sie jetzt gelernt”, meinte die Verteidigungsministerin.

Das sogenannte “Rezo-Video” wurde innerhalb kürzester Zeit millionenfach geklickt und warf der CDU sowohl absolute Inkompetenz als auch oft grobe Fahrlässigkeit im Umgang mit den großen Themen wie Umwelt und Krieg vor. Die Antwort der CDU auf diese Herausforderung aus dem Netz fiel hingegen hilflos, ja schon fast ängstlich aus. Exemplarisch für diese Haltung war eine zunächst groß angekündigte Replik des jungen Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor, die am Ende aber dann doch ausblieb oder ausgebremst wurde.

Welche Lehren denn nun die Regierungspartei gezogen habe, fragte Balzli weiter. Und wieder war von der Leyen hellwach und mit einer Antwort sofort zur Stelle: Man müsse in den sozialen Netzwerken “Präsenz zeigen”, was schon aus reinem Eigeninteresse wichtig wäre. Denn “im Netz” ließen sich auch “Makrotrends” in der jüngeren Bevölkerung erkennen. Ob denn nicht – neben bloßer Präsenz – auch Inhalte im Netz wichtig wären, hakte der WiWo-Chefredakteur nach. Doch für die Ministerin “hängt das eine mit dem anderen zusammen”.

Wenn man Makrotrends erst im Internet suchen muss, dann zeigt gerade dies grundsätzliche Probleme nicht nur der CDU, sondern auch der anderen, einst stolzen “Volkspartei”, der SPD. Beide Parteien dieser Großen Koalition haben den Zugang zum “Volk” verloren, was sich erst in den Umfragewerten und dann in faktischen Resultaten der letzten Wahlen widerspiegelt. Und bei den bevorstehenden Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern könnte sich das noch deutlicher zeigen.

Doch an der GroKo wollte Ursula von der Leyen – vermutlich schon aus Eigeninteresse – nicht rütteln. Auf die Frage von Elisabeth Niejahr, wie es sich denn mit einem Koalitionspartner regiert, “der sich selbst auflöst”, wollte sie gar nicht erst antworten. Stattdessen betonte die Ministerin, dass es ein “hohes Gut der Stabilität” dieser Bundesregierung darstellt, wenn sie nicht bei Problemen und Herausforderungen gleich zerbricht. Etwas spöttisch verwies von der Leyen auf Belgien als ein Negativbeispiel in dieser Hinsicht, wo die Regierungskrisen manchmal länger dauern als die eigentliche Regierungszeit. Deshalb werde die Stabilität der deutschen Bundesregierung im Ausland sehr geschätzt und es wäre “kostbar, in einer Demokratie den Auftrag zu Ende zu führen.”

Dieses Hohelied auf die “Kunst und Größe” der deutschen Standhaftigkeit hat durchaus seine Berechtigung. Angesichts der aktuellen Zerfallserscheinungen beim Koalitionspartner und der Kette von Skandalen im “eigenen” Verteidigungsministerium klingt das eher nach verzweifelten Festklammern an der Macht.

Gegen Ende der Abendveranstaltung ging es dann doch noch um das eigentliche Thema “Cybersecurity”. Die Ministerin versuchte souverän zu wirken – was von den Besuchern am Ende der Veranstaltung auch entsprechend kommentiert wurde – und strich heraus, dass erst vor sechs Jahren, also dank ihrer Ankunft an der Spitze des Verteidigungsministeriums, die Digitalisierung in der Bundeswehr in Angriff genommen worden war.

Wie sträflich das Thema digitale Sicherheit bis dahin behandelt worden war, sollte auch die Erwähnung eines Workshops vor “vier oder fünf Jahren” belegen, bei welchem über die Gefahren im Cyberraum referiert worden war. Mittlerweile habe nun die Bundeswehr aber aufgeholt und steht – laut der Verteidigungsministerin – “auf Augenhöhe” mit den US-amerikanischen und israelischen Partnern. Die Cyberabwehr wurde 2017 zu einem eigenen militärischen Bereich der Teilstreitkräfte erklärt und verfügt über 15.000 Mann.

Bei Cyberangriffen auf deutsche Regierungsnetze oder kritische Infrastruktur sei es enorm wichtig, genau herauszufinden, wer tatsächlich dahintersteckt. Es reiche nicht aus, nur das vermeintliche Herkunftsland des Angriffs zu lokalisieren, denn daraus ließen sich keine Rückschlüsse auf die Urheber machen. Bevor man überhaupt an eine Reaktion nachdenkt, also an einen sogenannten “Hack-Back”, müsse man wissen, ob es ein staatlicher Akteur war oder sich der Angriff auf organisierte Verbrecherstrukturen zurückführen lässt.

Überhaupt war von der Leyen bemerkenswert vorsichtig mit irgendwelchen Schuldzuweisungen. Zwar sprach sie von täglich bis zu 4.000 Angriffen auf deutsche Regierungsnetzwerke, und die meisten davon kämen aus China, aber dabei handele es sich um automatisierte und nicht sonderlich herausfordernde Aktionen.

Als Beat Balzli sie darauf ansprach, wie oft denn US-amerikanische Angriffe stattfänden – neben solchen, die in den Medien nahezu ausschließlich in China und Russland vorortet würden –, zeigte sich die Verteidigungsministerin plötzlich gar nicht mehr so auskunftsfreudig. Sie verwies auf schon erwähnte Kenntnisse und überlässt es lieber den Medien, über mögliche Aktionen US-amerikanischer oder israelischer Urheber zu “spekulieren”. Nach den umfangreichen Veröffentlichungen über WikiLeaks ist das allerdings keine sehr überzeugende Antwort auf diese durchaus berechtigte Nachfrage des WiWo-Chefredakteurs.

Konstatieren kann man zumindest: Vom Thema Digitalisierung und Cybersecurity “an sich” ist Ursula von der Leyen fasziniert. Das spürt man deutlich, wenn sie mit sichtlichem Stolz darüber spricht, dass unter ihrer Führung diese Veränderungen innerhalb der Bundeswehr – sogar die Schaffung eines eigenen Cyber-Abwehr-Kommandos – gelungen sind. Daran duldet sie keine Kritik, auch nicht angesichts der Skandale rund um die Beraterverträge, die ihr der Bundesrechnungshof angekreidet hatte. Es habe Fehler beim “Wie” gegeben, aber das “Ob” stehe gar nicht zur Debatte. Und wenn sich Frau von der Leyen etwas wünschen könnte, dann wäre es ein “Digitalisierungsministerium” für Deutschland, wo sämtliche “Big Data” gebündelt werden und deren völlige Vernetzung stattfinden könnte.

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