Hintergründe

Verschwiegene Kriegsverbrechen: Sowjets verübten in Nemmersdorf Massaker an deutschen Zivilisten

Verschwiegene Kriegsverbrechen: Sowjets verübten in Nemmersdorf Massaker an deutschen Zivilisten
Von sowjetischer Mörderhand aus dem Leben gerissene Deutsche in Nemmersdorf.

Das im Oktober 1944 von Rotarmisten in der ostpreußischen Ortschaft Nemmersdorf begangene Massaker an deutschen Zivilisten steht bis heute exemplarisch für die vielen Kriegsverbrechen der sowjetischen Streitkräfte während des Zweiten Weltkrieges.

von Wolfgang Kaufmann

Im Sommer 1944 war die Rote Armee bis an die Grenze zu Ostpreußen vorgestoßen, verfügte dann aber über keine ausreichenden Ressourcen für weitere Angriffe mehr. Allerdings wollte der sowjetische Generalstab anlässlich des 27. Jahrestages der Oktoberrevolution am 7. November 1944 erneute Erfolgsmeldungen verkünden. Deshalb plante er für den Oktober eine Doppeloffensive der 1. Baltischen Front unter Armeegeneral Hovhannes Baghramjan und der 3. Weißrussischen Front unter Armeegeneral Iwan Tschernjachowski. Das Ziel der Doppeloffensive bestand in der Zerschlagung der 3. Panzerarmee der Wehrmacht unter Generaloberst Erhard Raus und der 4. deutschen Armee unter General der Infanterie Friedrich Hoßbach als Voraussetzung für die nachfolgende Eroberung Ostpreußens.

Die 1. Baltische Front stieß ab dem 5. Oktober 1944 in Richtung Memel und zur Ostseeküste vor. Dabei kam es zu ersten Begegnungen mit deutschen Zivilisten, die mit Plünderungen, Vergewaltigungen und Erschießungen endeten. Dass es sich hierbei um keine Einzelfälle handelte, zeigt die Offensive der 3. Weißrussischen Front ab dem 16. Oktober im Bereich zwischen Memel und Sudauen. Vier sowjetische Armeen, darunter auch die 11. Garde-Armee unter Generaloberst Kusma Galizki, traten auf 90 Kilometern Frontbreite zur Gumbinnen-Goldaper Operation an, in deren Verlauf der Durchbruch nach Königsberg erzwungen werden sollte. Das Vorhaben scheiterte indes an heftiger deutscher Gegenwehr. Jedoch gelang es der Roten Armee während der Doppeloffensive erstmals, deutsches Reichsgebiet zu besetzen – allein beim 60 Kilometer weit reichenden Vorstoß nach Ostpreußen hinein fielen 2000 Quadratkilometer in sowjetische Hand. Dazu kam die Eroberung der Städte Stallupönen (Ebenrode), Goldap und Sudauen.

Nemmersdorf war nur anderthalb Tage in sowjetischer Hand

Während der erbitterten Gefechte konzentrierte die 11. Garde-Armee am 20. Oktober 1944 starke Kräfte an einem Frontabschnitt zehn Kilometer südöstlich von Gumbinnen. Dadurch gelang es dem 2. Bataillon der 25. Panzerbrigade Galizkis am Morgen des 21. Oktober, die 600-Seelen-Gemeinde Nemmersdorf zu erreichen. Dort stand die weit und breit einzige für Panzer passierbare Brücke über den Fluss Angerapp, deren Inbesitznahme für die Angreifer damit von zentraler Bedeutung war. Allerdings befand sich Nemmersdorf ungeachtet dessen nur für anderthalb Tage in sowjetischer Hand. Die Rotarmisten mussten den Ort bereits am 23. Ok­tober 1944 gegen 2.30 Uhr wieder räumen, denn sie wurden nicht nur von der 5. deutschen Panzerdivision, sondern auch von Stoßtrupps des Panzergrenadier-Ersatzbataillons 413 und Einheiten der Fallschirm-Panzer-Divisi­on „Hermann Göring“ attackiert. Trotzdem hatte die Zeit ausgereicht, um unter den in Nemmersdorf verbliebenen Zivilisten und Flüchtlingen aus der Umgebung ein Blutbad anzurichten.

Zu den ersten Deutschen, die am Morgen des 23. Oktober auf die übel zugerichteten Leichen ihrer Landsleute stießen, gehörten der Panzergrenadier-Feldwebel Helmut Hoffmann und der Soldat Harry Thürk von der Division „Hermann Göring“. Später trafen dann noch zahlreiche weitere Personen am Ort des Geschehens ein, darunter der Kreisbauernführer Fritz Feller, Himmlers Leibarzt Karl Gebhardt, Major Hans Hinrichs vom Oberkommando der Wehrmacht, der Kriegsgerichtsrat Paul Groch und Hauptmann Karl Fricke vom Oberkommando der 4. Armee sowie einige Kriegsberichterstatter, Parteifunktionäre und höhere Chargen der SS beziehungsweise Geheimen Feldpolizei.

Von diesen sind diverse Zeugenaussagen überliefert. So berichtete Thürk, der es später zu einem der meistgelesenen Schriftsteller in der DDR brachte und „Konsalik des Ostens“ genannt wurde: „Ich habe tote Zivilisten auf einem eingefriedeten Misthaufen gesehen. Da lag ein älterer Mann, der hatte eine Mistgabel im Brustkorb stecken … An einem Scheunentor, am rechten Torflügel, war eine Frau angenagelt.“ Andere berichteten, sie hätten die Leichen ermordeter Kinder und Frauen gefunden – wobei die weiblichen Deutschen ganz offensichtlich auch auf viehische Weise vergewaltigt worden seien.

Anzahl der Opfer ist umstritten

Wie viele Menschen bei dem Massaker von Nemmersdorf starben, ist bis heute umstritten. Die Bandbreite der in der Literatur genannten Zahlen reicht von 19 bis etwa 100. Ebenso unklar bleiben zumeist auch die genauen Umstände des Todes der Opfer sowjetischer Mordlust. Daher wird von Seiten mancher Hobbyhistoriker wie Bernhard Fisch in Zweifel gezogen, dass es zu den geschilderten umfangreichen Vergewaltigungen und Leichenschändungen gekommen sei, und unterstellt Joseph Goebbels’ Propagandaapparat, die Körper der Toten vor dem Eintreffen der Pressefotografen entsprechend präpariert und zurechtgelegt zu haben. Tatsächlich nutzten die Nationalsozialisten den Fall Nemmersdorf, um den Durchhaltewillen der Deutschen zu stärken. Das heißt aber noch lange nicht, dass Augenzeugen wie Thürk gelogen oder übertrieben haben.

Jedenfalls verfügte die Siegermacht Sowjetunion nach der erneuten und diesmal endgültigen Eroberung des Tatorts Anfang 1945 über die Möglichkeit, sämtliche Beweise für die inzwischen weithin publik gewordenen Bluttaten von Nemmersdorf verschwinden zu lassen. So finden sich heute in und um den Ort keine Gräber der Ermordeten mehr. Das erleichterte es der russischen Seite, das Massaker schon während des Nürnberger Prozesses abzustreiten und zu suggerieren, die „Hitlerfaschisten“ hätten das alles selbst inszeniert – eine Haltung, von der Moskau nie abgerückt ist.

Doch unabhängig davon, welche Lügen das Land der Täter verbreitet, liegen akribischen Nachforschungen des Bundesarchivs aus der Mitte der 1970er Jahre zufolge östlich von Oder und Neiße noch um die 3300 weitere Tatorte, an denen Rotarmisten 1944/45 deutsche Zivilisten abgeschlachtet haben. Das berechtigt zweifellos dazu, von systematischen sowjetischen Kriegsverbrechen zu sprechen, die nun schon ein Dreivierteljahrhundert lang ungesühnt geblieben sind.

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