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Tourismus ins Kriegsgebiet: Eine Woche Somalia für Zwei

Tourismus ins Kriegsgebiet: Eine Woche Somalia für Zwei
Eine Frau im Urlaub und ein zerbombtes Haus in Donezk: Tourismus in Kriegsgebiete ist ein florierendes Geschäft

Urlaub im Kriegsgebiet: Extrem-Reisebüros bieten Reisen in die Ukraine, nach Israel oder Somalia an. Die Anbieter verdienen viel Geld mit dem Horror-Voyeurismus – und verkaufen ihre Arbeit als Wohltat.

von Ludger Bisping

Schon für die Römer war der Frieden das höchste Gut („Pax optima rerum“). In den Achtzigern protestierte an jeder Ecke eine „Friedens-Ini“ gegen den Kalten Krieg. Und heute wünschen sich alle Frieden in der Ukraine und in Israel. Aber für manche Menschen ist eine lange Friedensperiode offenbar kaum auszuhalten: Sie machen Ferien an der Front! Kriegstouristen zieht es an Konfliktorte, die man nur aus Katastrophennachrichten kennt.

Sieben Tage Aleppo, Jemen oder Bergkarabach? Ein Trip nach Mariupol, in den Südsudan oder Masar-e Sharif in Afghanistan? All inclusive mit Gefechtslärm und Trümmerschutt? Kein Problem: Spezialreisebüros für „Hochrisiko-Touren“ bringen Kunden dahin, wo es knallt und lebensgefährlich ist. Zum Beispiel die Agentur „War Zone Tours“, die seit 1993 überlebt hat und im Geschäft ist.

Preiswert ist der Trip in die Todeszone nicht: Eine Woche Somalia für zwei Personen kostet 10.000 US-Dollar ohne Flüge. Sollte man dabei leider als Kollateralschaden tödlich verwundet werden, kommen pro Person zwölftausend für die Rückführung im „Body-Bag“ obendrauf.

Anbieter nennen Urlaub im Kriegsgebiet „philantrophischen Einsatz“

Beworben wird das Business zynisch als „Philantrophischer Einsatz“ und „Humanitäre Hilfe“, da die Reisenden helfen können, medizinisches Material in die Kampfgebiete zu bringen. Die Angebote richten sich an Journalisten, NGOs und zahlungskräftige Privatpersonen. Nach eigenen Angaben hat War Zone Tours „fünf bis zehn Anfragen pro Tag“. Geschäftsführer Rick berichtet im TV-Interview: „Die Leute wollen an die Orte, die in den Nachrichten genannt werden. Wenn es in Somalia Krieg gibt, wollen alle nach Somalia; wenn es im Irak knallt, wollen alle in den Irak.“

Da gibt es die Adrenalin-Junkies, denen S-Bahn-Surfen oder Fallschirmspringen zu langweilig und nicht exklusiv genug ist. Eine Teilnehmerin schwärmt in Afghanistan davon, wie cool es sei, sich „wie in einem Bruce-Willis-Film“ zu fühlen. Und dann gibt es diejenigen mit einem bizarr übersteigerten Helfersyndrom, die sich einbilden, die Menschen in verwüsteten Orten würden gerade auf Typen warten, die mal ein bißchen Kriegsreporter spielen möchten. Das führt zuweilen zu brisanten Situationen: Mehrfach wurden Touristen von schnell anwachsenden wütenden Mengen umkreist und bedroht. In einem syrischen Elendslager, in dem von IS-Barbaren gezeugte Kinder vegetieren, wurde es für eine Reiseteilnehmerin höchste Zeit zu verschwinden, als schon die ersten Steine auf sie geworfen wurden. Zum Glück werden die Extremreisenden von bewaffneten Ortskräften begleitet.

„Wenn man das einmal erlebt hat, findet man nicht mehr in sein normales Leben zurück“

Ein Geschäftsmann aus München gründete sogar den Internationalen Kongreß der Extremreisenden (Extreme Travellers International Congress, ETIC), der ganz passend mal in Grosny, in Mogadischu oder Bagdad stattfindet. Ein Teilnehmer schwärmt in einer britischen Arte-Doku: „Wenn man das einmal erlebt hat, findet man nicht mehr in sein normales Leben zurück.“ Kriegstrauma als kinky Wohlstands-Feeling, wie cool.

Der britische Bauunternehmer sammelt übrigens schicke Souvenirs wie Raketentrümmer aus Tschetschenien, Menschenknochen aus dem Sudan. Eine Italienerin ist begeistert, daß sie mit afghanischen Milizen posieren darf (ob das nun „Freiheitskämpfer“ oder „Terroristen“ sind, ist Ansichtssache) und erklärt, sie liebe es nun einmal „rauh, roh und real“. Die internationalen Anbieter reagieren schnell auf Krisen: Golden Globe Tours bietet aktuell als „Conflict Zone Trip“ eine „kulinarische und politische“ Reise nach Ramallah, Hebron, Jerusalem und zu den Golanhöhen an, bei der man etwas „über den politischen Konflikt in Palästina“ lernen kann.

Aber vielleicht sind Hooligans oder Antifa auch nur Kriegsersatz für friedensmüde junge Hobbykrieger. Das ist doch überhaupt die Geschäftsidee: Risiko-Reisen in deutsche Städte. Aktuelle Angebote: „Nachts auf irgendeinem Hauptbahnhof“, „1. Mai in Berlin-Kreuzberg“, „Bus & Bahn mit Messermann“, „Jump’n’Run im Görli, Drogenhalbpension inklusive“. Buchen Sie das prickelnde Erlebnis zerrütteter innerer Sicherheit!

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