Deutschland

Selbstbedienungsladen Politik: Bundesregierung plündert Staatskasse durch Vetternwirtschaft

Selbstbedienungsladen Politik: Bundesregierung plündert Staatskasse durch Vetternwirtschaft
Der Kaiser und seine Paladine: Olaf Scholz, Robert Habeck, Annalena Baerbock und Christian Lindner

Über 300 neue Mitarbeiter, 37 neue Parlamentarische Staatssekretäre und zusätzlich hochdotierte Posten für die Verwandtschaft des dubiosen Graichen-Clans. So großzügig wie die neue Bundesregierung war nicht einmal der päpstliche Nepotismus zu seinen Günstlingen.

von Marco Gallina

Die moderne Demokratie lebt vom Anspruch der Gleichheit und Gleichberechtigung. Wenn nicht-westliche, autoritäre Staaten zum Thema der Nachrichten werden, liegt der Vergleich zur eigenen Staatsform nie fern. Nahezu jede autoritäre Herrschaft sei korrupt, von Vetternwirtschaft gekennzeichnet und versage Grundrechte, wie etwa die Versammlungsfreiheit. Das jüngste Beispiel Kasachstan ist da nur eines unter vielen.

Die gegenwärtige Medienlandschaft suggeriert zu jeder möglichen Sekunde, dass solcherlei Erscheinungen mit dem demokratischen System gar nicht zu vereinbaren seien. Entweder seien sie in der Vergangenheit, etwa im Feudalismus, oder im Ausland zu verorten. Die Demokratie ist ein so hoher Eigenwert geworden, dass eine Kritik an Netzwerken per se Demokratiefeindlichkeit beinhaltet. Es ist dabei auffällig, dass Industrie-Lobbyismus als schädliches Element gilt, nicht aber die Verdrahtung von Medien, NGOs oder „grüner“ Wirtschaft mit der Politik.

Wer sich „Fortschrittskoalition“ nennt, betont demnach den Blick in die Zukunft und suggeriert Transparenz und Modernität. Doch ausgerechnet die progressive Bundesregierung fällt mit archaischen Clanstrukturen auf. Zuvorderst steht die Graichen-Dynastie im Rampenlicht. Über Patrick Graichen, ehemaliger Direktor der „Agora Energiewende“, den Robert Habeck zum Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz befördert hat, berichteten alternative Medien schon an anderer Stelle.

Der Graichen-Clan erobert das Wirtschaftsministerium

Doch an Graichen hängt mehr als ein Thinktank zu Klimafragen und fragwürdige Befangenheiten. Denn neben verbeamteten Staatssekretären gibt es auch Parlamentarische Staatssekretäre. Einer davon ist Michael Kellner. Kellner ist Bundestagsabgeordneter und Bundesgeschäftsführer der Grünen, im Ministerium Beauftragter der Bundesregierung für den Mittelstand. „Seit 2014 ist er Mitglied im Aufsichtsrat und in der Mitgliederversammlung der Heinrich-Böll Stiftung“, lesen wir auf der Webseite der Böll-Stiftung. Und er ist verheiratet: mit Verena Graichen.

Verena Graichen ist die Schwester von Patrick Graichen. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), mit rund 470.000 Mitgliedern und 180.000 Spendern einer der größten Umweltverbände Deutschlands, sowie über 2.000 ehrenamtlichen BUND-Gruppen. Zitat der Webseite: „Der BUND ist ein von Politik und Wirtschaft unabhängiger Verband.“

Zugleich ist Verena Graichen „Senior Researcher“ am Öko-Institut für Energie und Klimaschutz. Zur Erinnerung: Das Öko-Institut ist ein aus der Anti-Atomkraft-Bewegung hervorgegangenes Umweltforschungsinstitut. Eines seiner profiliertesten Gesichter war der Chemiker Michael Sailer. Er war bis 2014 Mitglied der Reaktorsicherheitskommission und galt als vehementer Gegner der Kernenergie. Das Öko-Institut finanziert sich „überwiegend mit Drittmitteln aus Projekten“. Heißt: Man lebt von staatlichen Aufträgen.

Am Öko-Institut findet sich noch ein dritter Name, der aufmerksam werden lässt: Jakob Graichen. Er ist – wie Verena Graichen – „Senior Researcher“ für Energie und Klimaschutz. Kaum der Rede wert, dass ihn die Böll-Stiftung auch einmal zu einem Vortrag einlud. Bei der Agora-Energiewende von Patrick Graichen taucht sein Name bei Events und Studien auf. Der taz gegenüber äußerte er mal, man könne den Personenverkehr zwischen Amerika und Europa klimafreundlicher gestalten, indem man die Fährsysteme der Vergangenheit wiederbelebe. Das bedeutet: fünf Tage Reise von der Alten in die Neue Welt. Laut taz handelt es sich bei Jakob Graichen um den Bruder von Verena und Patrick Graichen.

Bundesministerium: „Keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Aufträgen“

Zugegeben: Niemand kann eine Familie daran hindern, in einer Firma oder einem Institut zusammenzuarbeiten. Doch es ist eine andere Sache, wenn ein Familienclan eine Brücke zwischen Politik und Klimalobby schlägt und zugleich eng mit zwei Staatssekretären verwoben ist – insbesondere, wenn das angesprochene Institut selbst zugibt, am staatlichen Tropf zu hängen. Das Ministerium gibt bekannt: Selbstverständlich sei sichergestellt, „dass keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Studien oder Aufträgen entstehen“. Notwendige „Schritte und Strukturen“ würden „rechtssicher eingerichtet und umgesetzt“.

Anekdote am Rande: Während die englische Wikipedia die Ehefrau von Michael Kellner und ihre Positionen nennt, sind solcherlei profane Details in der deutschen Wikipedia keine Rede wert. Dass Habecks anderer Parlamentarischer Staatssekretär, Oliver Krischer, im Rat von Graichens Agora sitzt, macht die Sache rund.

Bleiben wir beim Thema Parlamentarische Staatssekretäre. Derer gibt es nun 37 – ein Rekord. Ursprünglich sollte das Amt als Posten für Nachwuchspolitiker dienen, um diese auf den jeweiligen Ministerposten vorzubereiten. Mittlerweile sind sie dagegen zum Popanz der Koalitionen geworden. Hatte schon unter Angela Merkel die Unsitte bestanden, mehrheitlich zwei Parlamentarische Staatssekretäre pro Ministerium zu bestellen, tendiert die Zahl nunmehr eher Richtung drei.

Offiziell vertreten die Parlamentarischen Staatssekretäre in den Gremien des Bundestags die Regierung und stehen Rede und Antwort – etwa im Plenum oder Ausschüssen. Sie halten den Regierungsmitgliedern damit den Rücken frei, indes die (beamteten) Staatssekretäre die eigentliche Verwaltung der Ministerien leiten. Parlamentarische Staatssekretäre sind Bundestagsabgeordnete, deswegen stehen sie an einer Scharnierstelle. Andererseits ist die Vergangenheit auch nicht frei von Eitelkeiten zwischen „richtigen“ Staatssekretären und ihren parteipolitischen Pendants geblieben.

Rund 21.000 Euro Monatsgehalt für Parlamentarische Staatssekretäre

Ihre Mittlerposition zwischen Legislative und Exekutive bringt allerdings auch eine doppelte Vergütung mit sich. Der Bund der Steuerzahler hat dazu kürzlich eine Rechnung angerfertigt: 12.642 Euro Amtsgehalt, 230 Euro Aufwandsentschädigung, dazu eine halbe Abgeordneten-Diät von 5.007 Euro, zuletzt eine gekürzte, steuerfreie Kostenpauschale von 3.420 Euro. Macht rund 21.000 Euro, die den Steuerzahler jede dieser strategischen Entscheidungen der Parteipolitik im Monat kostet. Zudem: „Bei 37 Sekretären summiert sich das entsprechend für die Steuerzahler, denn hinzu kommen weitere Kosten von rund 300.000 Euro jährlich für ein eingerichtetes Büro samt Sekretariatspersonal sowie einen Dienstwagen samt Fahrer.“

Aber: Man muss auch gönnen können. Was für unsere Bundeskanzlerin in Pension recht ist, soll doch für aktive Politiker nur billig sein. Zur Erinnerung: Die Kanzlerin leistet sich einen Stab von neun Mitarbeitern. Eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Jürgen Braun hat eine detaillierte Aufstellung ergeben. Zum Personal zählen: ein Büroleiter, ein politischer Berater, ein stellvertretender Leiter, eine Referentin, zwei Sachbearbeiter, eine Bürokraft sowie ein Kraftfahrer. Zwei Kanzlerkräfte erhalten ein Monatsgehalt über 10.000 Euro. Dienstwagen des Bundeskriminalamtes und Sicherheitspersonal inklusive.

An dem Beispiel zeigt sich wie so häufig in Deutschland der Unterschied zwischen Demokratie und Republik. Demokratie heißt, dass das Mehrheitsprinzip gewinnt. Das gilt auch für eine Parteienmehrheit. Mit Zustimmung der von ihr dominierten Regierung kann sie sich Vorteile verschaffen. Republik bedeutet dagegen, dass das Staatswesen durch Kontrollen zusammengehalten und geprüft wird. Die Republiken Rom und Venedig waren keine Demokratien, sie waren aber Republiken, weil scharfe Regeln – freilich nicht immer erfolgreich – dazu führen sollten, dass die Wohlfahrt des gesamten Staatswesens (daher der Begriff: res publica, die öffentliche Sache) gewährleistet ist, etwa durch regelmäßigen Ämterwechsel und Verhinderung von Familienverhältnissen. Ersteres ist für Deutschland sicher auszumachen, Letzteres kann man in Zweifel ziehen.

Staatssekretär verstößt gegen Amtsregeln und ist im Maskenskandal involviert

Es gibt Geschichten, die bestätigen, dass die republikanischen Korrektive innerhalb der Demokratie wenigstens manchmal funktionieren – und legen zugleich offen, wie weit der Verfall geschritten ist. Da ist etwa der Fall des ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretärs im Innenministerium, Stephan Mayer. Mayer ist seit 2002 Bundestagsabgeordneter für die CSU und war von 2018 bis 2021 unter Horst Seehofer als Parlamentarischer Staatssekretär tätig. An ihm zeigt sich paradigmatisch das Selbstverständnis der Partei- und Lobbypolitik, die nicht allein Sache der Grünen ist.

Als Parlamentarischer Staatssekretär war Mayer auch für Sport zuständig. Anfang Dezember wählte ihn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zum Vizepräsidenten. Kurz darauf wählte ihn die Unionsfraktion des Bundestages zum Sportpolitischen Sprecher. Interessenkonflikt? Nicht nur das. Der Bayer kündigte nach seiner Wahl zum DOSB-Vize am 4. Dezember an, er rechne mit einer Freigabe ab Januar. Üblicherweise gibt es eine Karenzzeit zwischen der politischen Arbeit als Staatssekretär und der Übernahme solcher Ämter. Mayer ging davon aus, dass diese für ihn ausfalle. Er hielt es nicht einmal für nötig, seine Wahl mit der Bundesregierung abzusprechen.

Dass die neue Bundesregierung ihm einen solchen Übergang versagte, kann mit Sicherheit auch als parteipolitisches Manöver gedeutet werden. Doch auch über Umwege zeigt sich, dass sich Mayer hier nicht nur verkalkulierte. Die Anmaßung, sich über die republikanischen Regeln zu stellen, scheint in gewissen Kreisen ein Kavaliersdelikt zu sein. Anders kann man sich nicht die Reaktion erklären, mit der Mayer gegen das Verbot stänkerte, zwölf Monate warten zu müssen. „Die Festlegung einer Karenzzeit von zwölf Monaten halte ich für vollkommen unangemessen, überzogen und in jeder Hinsicht unverhältnismäßig“, sagt Mayer der SZ. Bitter: Im Karenzgremium, das den weichen Übergang verhindert, sitzt CSU-Kollege Theo Waigel.

Insgesamt 324 neue Stellen in den Bundesministerien

Mayer fiel 2021 zusätzlich dadurch auf, dass er in der Maskenaffäre eine Rolle spielte. Der Schweizer Maskenhersteller Emix stellte die PR-Unternehmerin Andrea Tandler ein, die Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler. Sie wandte sich an weitere CSU-Kontakte, darunter auch die CSU-Kommunalpolitikerin Veronika Mayer, die Schwester von Stephan Mayer. Ob dem „Stephan“ jemand einfalle, der Interesse an Masken hat, steht in einem Brief, der mit „Vielen Dank und Bussi“ unterzeichnet ist. Der Parlamentarische Staatssekretär leitet die Kontaktdaten im Innenministerium weiter. Aber man könne ihm deshalb „beim besten Willen nichts vorwerfen“, sagt Mayer der Tagesschau.

Bei so vielen vielfältigen Aufgaben und Verpflichtungen ist es nicht verwunderlich, dass die Bundesregierung noch mehr neue Mitarbeiter braucht. Schon im Dezember war klar: Die Ampel braucht für ihre Regierungsarbeit 176 neue Stellen. Vor wenigen Tagen kam raus: Auch das ist nicht genug, es braucht 148 weitere Posten, um das Regierungsgewicht zu stemmen, das die neue Regierung verursacht. 24 Stellen davon alleine – Sie erraten es – im Habeck’schen Ministerium für die Familienbetreuung der Graichens. Dahinter rangiert bereits das Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach mit 14 Stellen. Der kontinuierliche Aufbau ministerialer Strukturen ist womöglich der einzige Aufbau in Deutschland. Vielleicht bald besungen durch eine Parlamentspoetin?

Ein König verteilt Lehen über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Parteien verteilen dagegen eine kurzfristige Beute – und das alle vier Jahre. Dadurch, dass den Vasallen ihr Land gehörte, fühlten sie sich dafür verantwortlich. Politiker dagegen kommen und gehen wie die Freier im Bordell. Kein schöner Vergleich, aber Eigentum schafft Verantwortung, und die um sich greifende Verantwortungslosigkeit besteht auch zu einem großen Teil daraus, dass Ministerien nur noch als Kriegsbeute nach dem Wahlsieg betrachtet werden, um sie anschließend großzügig zu verteilen.

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