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Asien: Auf dem Weg in den Krieg

Asien: Auf dem Weg in den Krieg
Keine Science-Fiction: Ein Krieg zwischen den beiden Supermächten China und USA

Bei neusten Vorfällen rund um Taiwans Inseln und den Philippinen geht es längst nicht nur um „Zusammenstöße“ – als Vorzeichen für Eskalation stehen sie für die jeden Tag ernstere Gefahr eines Krieges in Asien, den man in Europa lieber ignoriert.

von Sebastian Thormann

Nirgends muss die chinesische Übermacht so deutlich sein, wie auf den Kinmen-Inseln. Die von Taiwans Regierung kontrollierten kleinen Inseln liegen nur wenige Kilometer vom chinesischen Festland entfernt, die Hochhäuser der Großstadt Xiamen sind gut sichtbar. Jedem hier dürfte bewusst sein, dass Peking sich die Inseln jederzeit gewaltsam einverleiben könnte, viel, viel einfacher als Taiwan selbst.

Dennoch ist die Republik China, der offizielle Name Taiwans Regierung, Tag für Tag entschlossen, ihre territoriale Souveränität zu verteidigen. Genau das steht jetzt im Zentrum eines chinesisch-taiwanesischen Zwischenfalls, den Peking für neues Säbelrasseln nutzt – Säbelrasseln, aus dem mehr werden könnte. Jeder Funke kann hier in der Taiwan-Straße einen Krieg auslösen.

Chinas Regime muss nur einen Schalter umlegen, ein Kommando geben – und auf Kinmen weht nicht mehr Taiwans blau-rote Flagge, sondern das Banner der kommunistischen Volksrepublik. Im ganzen West-Pazifik brodelt es aktuell. Und hier fügt sich eine tödlich geendete Verfolgungsjagd in den Gewässern rund um die vorgelagerten Inseln ein: Die taiwanesische Küstenwache hatte ein chinesisches Boot im Visier, das in verbotene Gewässer eingedrungen war. Dabei kenterte das Boot, alle vier Chinesen an Bord fielen ins Wasser, zwei von ihnen ertranken, zwei wurde von der Küstenwache festgenommen.

Eine gefährliche Situation. Peking erhöht seitdem den Druck, fährt selbst mehr Patrouillen, stoppt taiwanesische Schiffe und schickt Männer an Bord für Inspektionen. Neue Vorfälle, neue Eskalationsstufen, oft durch gezielte Provokationen – wenn man heraus zoomt, ist all das Teil des Musters, das China gegenüber seinen asiatischen Nachbarn zeigt. Chinesische Kriegsschiffe in taiwanesischen Gewässern, das Rammen von philippinischen Militär-Versorgungsschiffen: Mit „Grauzonen“-Taktiken geht es darum, die eigene De-Facto-Kontrolle über Gewässer und Inseln im ganzen West-Pazifik auszubauen.

Im Westen wird das ganze gerne einfach unter dem Stichwort „Zusammenstöße“ eingeordnet. Das verharmlost die Situation aber und versteckt, wie sehr gerade Ostasien längst zu einem Pulverfass geworden ist – bei dem China längst auf Kriegskurs ist. Ob Peking am Ende den letzten Schritt geht, das entscheidet alleine das Regime, aber die Lage wird immer düsterer, der Ton und die Provokationen gegen die US-Verbündeten Taiwan und die Philippinen immer ernster.

Erst vor kurzem begannen etwa die USA mit der Verlegung von weiteren Flugzeugträgern in die Region: All das soll die Anzahl der US-Flugzeugträger vor Ort auf mindestens fünf erhöhen. Das ist knapp die Hälfte der US-Flugzeugträgerflotte. Bisher waren dort nur zwei im Einsatz. All das geschieht, um ein Signal an China zu senden.

Ein neuer Wind

Auch die Philippinen, anders als Taiwan genießen sie per Vertrag US-Bündnisgarantien, ducken sich nicht mehr vor Peking weg. Der neue Präsident Marcos sucht die Nähe zu Taiwan, Japan und Washington. Er gratulierte sogar dem neuen taiwanesischen Präsidenten Lai zur Wahl, den Peking als „Separatisten“ sieht. Zugleich wächst auch in der philippinischen Öffentlichkeit die Stimmung gegen China und seine Aggressionen rund um expansive chinesische Territorialansprüche bis vor die Küste der Philippinen. Mehr als 70 Prozent unterstützen in manchen Umfragen militärische Mittel gegen die chinesischen Provokationen.

Dort nutzt China nämlich selbst quasi-militärisches Vorgehen, etwa jenes Rammen philippinischer Marineschiffe durch chinesische „Küstenwachen-Schiffe“, die selbst von Größe und Bewaffnung eher Kriegsschiffen ähneln. Genauso der Einsatz der chinesischen „Maritimen Miliz“, zivilen Booten, wie jenen von Fischern, die sich dann an paramilitärische Aktionen beteiligen und sich etwa zur Blockade philippinischer Versorgungsschiffe zusammenketten. Alles um zu verhindern, dass einige philippinische Matrosen ihre Präsenz auf einem von Manila beanspruchten Atoll aufrechterhalten können – denn Peking selbst beansprucht es und möchte dort wie auf vielen Inseln im südchinesischen Meer eine eigene Präsenz aufbauen.

Es ist beinahe ein Wunder, dass bei all dem noch niemand gestorben ist. Denn China agiert mit allen Mitteln: Seien es chinesische Schiffe, die den Philippinern den Weg versperren, Wasserwerfer auf sie richten oder eben Schiffe tatsächlich rammen. Bricht ein echter Krieg zwischen der Inselnation und dem Reich der Mitte aus, hätte das wegen des US-Bündnisvertrages sofort globale Dimensionen.

Eine Offensive schon „morgen“?

Ein Krieg zwischen den beiden Supermächten China und USA – das ist kein Science-Fiction-Szenario mehr. In Europa wird es gerne als absurde Fantasie abgetan. Dabei stehen alle Zeichen auf dramatische Zuspitzung.

Trumps Vize-Verteidigungsminister Elbridge Colby verwies im Interview mit Apollo News jüngst darauf, dass ein Krieg mit China schon „heute, morgen, in einem Jahr oder in fünf Jahren“ stattfinden könne. Und das nicht etwa, weil er sich so etwas wünschen würde, wie manche „Kriegstreiber“-rufenden Kritiker gerne behaupten würden. Nein, weil Colby und viele im US-Militär genau so einen Krieg mit China fürchten, weil man sich „aktuell nicht zutrauen“ würde, überhaupt zu gewinnen, wie er es sagt.

China dagegen rüstet seit Jahrzehnten zum Krieg – und zwar zu einem konventionellen Krieg. Denn entgegen der atomaren Drohkulisse, gehen beide Seiten nicht von einem vernichtenden Atomkrieg, sondern einem der wohl folgenreichsten konventionellen Kriege der Moderne aus. Die völlige Vernichtung des anderen – das hat keiner im Kopf. Aber sehr wohl die Frage, ob China militärisch neue Fakten vor Ort schaffen kann – Kontrolle über Taiwan oder das südchinesische Meer – oder eben von den USA und ihren Verbündeten davon abgehalten wird. Das mag nun nicht so schrecklich wie atomare Vernichtung klingen, es macht einen Krieg aber gerade deshalb deutlich realistischer: Die Hürden sind niedriger.

Man mag nur ungern solche Vergleiche ziehen, aber die aktuellen Geschehnisse haben viele der Merkmale, die man von den letzten Weltkriegen kannte: Eine aufstrebende, neue Macht, die mit aggressivem und imperialen Verhalten nach Hegemonie-Status strebt, ständige Grenz- und Territorialkonflikte, mit denen jener Staat Stück für Stück neue Territorien gewinnen will, und vor allem: Eine ältere Supermacht, die in militärischer und industrieller Dynamik hinterherhängt und anfängt wieder aufzurüsten, um der neuen Bedrohung zu begegnen.

Gerade letzteres sorgt für eine gefährliche Situation. Denn, wenn Militärplaner für die 2030er und 2040er Jahre eine drastische Aufstockung der US-Kapazitäten im Pazifik vorsehen, dann drängt das China auch zu einer Beschleunigung einer möglichen Offensive. Ein gutes Beispiel dafür sind etwa die U-Boote für den US-Verbündeten Australien im Rahmen des AUKUS-Bündnisses, die erst in den „frühen 40ern“ ankommen sollen.

Für China wird es so zum Rennen gegen die Zeit: Lieber jetzt zuschlagen, bevor der Vorsprung verloren geht, wenn die USA verschlafene Entwicklungen nachholen. Ähnlich agierten die Japaner gegenüber den USA und Nazi-Deutschland gegenüber den Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Den Vorsprung nutzen

China mag nicht so eine große Flugzeugträgerflotte haben wie die USA (nur drei Stück), aber Peking verfügt jetzt schon über die weltweit größte Marine. Währenddessen sind große Teile der US-Flotte quer über die Welt verstreut, während China sind im West-Pazifik konzentriert – gerade in einem schnellen, dynamischen Krieg ein massiver strategischer Vorteil. Zudem hat Peking eine der modernsten Flotten der Welt. Die Hälfte der US-Flugzeugträger etwa kommt aus den 70ern oder 80er Jahren. Viele von Chinas Schiffen wurden frisch in den letzten Jahren gebaut – im Rekordtempo. Beim Bau neuer Kriegsschiffe ist das Land den USA um das 230-Fache überlegen, wie interne Dokumente des US-Marinegeheimdienstes zeigen.

Amerika hat die Fähigkeit, hier nachzuholen, aber es wird Zeit brauchen. Schon im Zweiten Weltkrieg konnte die USA innerhalb kürzester Zeit Schiffe bauen, aber viel dieser industriellen Basis, auch in der Munitionsproduktion, wurde nach dem Kalten Krieg vernachlässigt. Seit mindestens 30 Jahren herrschte der Glaube, solch große Kriege gehören der Vergangenheit an, das Militär der Zukunft sei auf Friedensmissionen und ein wenig Terrorbekämpfung beschränkt. Ein fataler Fehlschluss.

All das könnte China nun motivieren, in Asien eher früher – womöglich vor 2027 anzugreifen, was Xi als Enddatum für die Bereitschaft zur Taiwan-Invasion ausgegeben hatte. Dazu kommt die – auch ressourcenmäßige – Ablenkung der USA im Ukrainekrieg in Europa. Mit der neuerlichen Flugzeugträgerflotte will man dem sicher ein Signal entgegensetzen, aber das kann nicht verdecken, was sich im Pazifik zusammenbraut: die Angst vor dem nächsten Krieg. Und die schleichende Gewissheit, dass Peking sich auf dem Pfad dahin bewegt.

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